Die Justinger-Chronik aus Bern:
ein historiographischer Gallimathias
der Extraklasse

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Die ganze "mittelalterliche" oder besser gesagt "spätmittelalterliche" Geschichte Berns ruht auf der sogenannten Stadt-Chronik eines "Konrad Justinger". Diese ist jedoch ist frühestens in den 1770er Jahren des 18.Jahrhunderts entstanden und enthält nichts Historisches, sondern nur Sagen und Legenden.

Doch „Justinger“ wird von orthodoxen und dogmatischen Historikern verehrt wie ein Säulenheiliger – aus durchsichtigen Gründen: Ohne ihn und seinen Umkreis gäbe es keine Vergangenheit Berns in angeblich alten Zeiten.


Der Problemkreis Justinger und die Berner und Eidgenössische Chronistik wird behandelt in den beiden in Druckausgaben erschienenen Büchern des Autors:

Die alten Eidgenossen.
Die Entstehung der Schwyzer Eidgenossenschaft im Lichte der Geschichtskritik und die Rolle Berns (20
22)

Die Ursprünge Berns.
Eine historische Heimatkunde Berns und des Bernbiets.
Mit einem autobiographischen Anhang (20
22)


Mit "Justinger" eng verbunden ist die

Handfeste für Bern von "1218"


Eine Frage zum Anfang

Weshalb wurde die Justinger-Chronik im Ancien Régime vor 1798 zwar viel abgeschrieben, aber nicht gedruckt?

Zufall oder nicht viel mehr kalkulierte Absicht?

(Die erste gedruckte Ausgabe von "Justinger"
erschien 1816 von Johann Rudolf Wyss dem Jüngeren.)

 

Initiale F aus einer Handschrift des Staatsarchivs Bern

Angeblich "zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts"
oder  "2. Hälfte des 15. Jahrhunderts"

aus: Berner Zeitschrift f. Geschichte, 4/2012


Heinrich von Bubenberg in einer Darstellung
aus dem sogenannten Spiezer Schilling

Die sogenannte Spiezer Chronik von Diebold Schilling heißt richtig: Illustrierte Justinger Chronik

Schilling = Justinger = Stettler

Der Illustrator des Spiezer Schilling ist unbekannt. Es dürfte sich um jemanden aus dem Künstlerkreis von Kauw, Dünz oder Aberli gehandelt haben.

Reproduziert in: Berner Zeitschrift f. Geschichte, 4/2012, S. 32


Als chronologisch interessantes Detail aus dem Bild sei erwähnt:

Der Krieger in der Mitte zielt mit einem Gewehr. Solche Handfeuerwaffen sind aus der Sicht einer revidierten (verkürzten) Chronologie erst etwa gegen nach 1780 plausibel.


In vielen Geschichtswerken, die sich mit der erfundenen Geschichte des alten Berns und der alten Eidgenossen befassen, werden gerne Bilder aus illustrierten Chronik-Werken reproduziert. Der Grund ist offensichtlich: Mehr noch als die Texte und die Urkunden gaukeln solche Abbildungen eine tatsächliche Geschichte vor.

Dabei sind diese Chroniken und ihre Illustrationen frühestens in die Zeit nach 1770 anzusetzen. Die Analyse der Bilder zeigt nicht reale Geschichte, sondern das, was man damals unter Geschichte verstand und wie man sich das "Mittelalter" vorstellte.



Neue Betrachtungen zu Justinger

Im Juni 2012 ist eine Art Sondernummer der Berner Zeitschrift für Geschichte (2/2012) herausgekommen mit dem Titel Vom Krieg und Frieden. Eidgenössische Politik im Spätmittelalter und das Wirken der Bubenberg. Auf etwa 130 Seiten werden die Ergebnisse einer Tagung in Spiez zu dem Thema vorgestellt.

Interessant dabei ist, daß der Band zur selben Zeit herauskam, als die Tagung stattfand. - Die Dinge waren also schon vorher festgelegt worden.

Die Thematik ist im Titel hinreichend umschrieben: Es geht um die bernische und eidgenössische Politik "im Spätmittelalter", vom Laupenkrieg bis zum Vorabend der Reformation. - Über diese Zeit weiß man sonderbarerweise mehr als etwa über das spätere 18. Jahrhundert.

Weil die Tagung in Spiez stattfand, steht der Name Bubenberg im Zentrum der Beiträge: Dieses Geschlecht soll angeblich das Schloß am Thunersee als Stammsitz gehabt haben. - Aber wahrscheinlich haben die Bubenberg nie existiert.

Schon bei der Durchsicht fallen die vielen Farbabbildungen aus illustrierten alten Chroniken (Amtliche Berner Chronik des Diebold Schilling, Spiezer Chronik des Diebold Schilling, Tschachtlan-Chronik, Luzerner Chronik des Diebold Schilling) auf.

Der Zweck dieser Bilder ist klar: Sie sollen den fragwürdigen historischen Hintergrund bestätigen.

Autoren dieser Sondernummer sind durchwegs bekannte Leute des universitären Kreises.

Von daher kann man sicher sein, daß kein kritischer Gedanke zu finden ist, der die vorgetragene historische Theologie stören könnte.

In den gleichen Zusammenhang gehört eine neue Monographie über den Chronisten Justinger von 2011 (Kathrin Jost: Justinger, Ostfildern 2011). Auf 450 Seiten wird dort zum wiederholten Mal die altbekannte Leier von dem angeblich ältesten Berner Chronisten "um 1420" gesungen.

Die Justinger-Darstellung von Hans Strahm von 1978 ist offenbar nicht mehr genug, obwohl sie die Dinge genauso orthodox und dogmatisch darlegt wie das erwähnte neue Buch.

Vogel-Strauss-Betrachtung zu Justinger und zur Berner und eidgenössischen Chronistik

Erneut versucht hier eine Riege von staatlich besoldeten Historikern eine erfundene Geschichte zu belegen und auszuführen, die nicht mehr zu halten ist.

Auch heute scheint für die orthodoxe und dogmatische Wissenschaft die Geschichts- und Chronologiekritik nicht zu existieren. Also sei Bern tatsächlich "1191" gegründet worden. Und die Laupenschlacht "1339" und die Murtenschlacht "1476" gelten als unumstößliche historische Ereignisse.

Vor allem aber wird jegliche Quellenkritik ignoriert: Chroniken gelten als wahre historische Darstellungen. Und Urkunden sind reale Dokumente.

Selbstverständlich ist auch jede Kritik an den absurden Zeitstellungen und an der offiziellen Chronologie tabu.

Beispielsweise wird von einem Schiedsspruch eines Heinrich von Bubenberg gesprochen. Dieser soll auf den Tag genau " am 13. Juli 1450" stattgefunden haben!

Was sollen solche überexakte Daten aus einer fernen Zeit, in der bereits längstens schwärzeste Geschichtsnacht herrscht?

Die staatlich bezahlten Historiker betreiben Vogel-Strauss-Politik: Es wird versucht, eine unmögliche Geschichte und verquere Zeitstellungen so lange wie möglich zu halten. Die Geschichtskritik wird ignoriert, so lange das nur möglich ist.

Neben der erwähnten neuen Justinger-Monographie planen Mediävisten auch eine Neuausgabe des Justinger. Denn noch immer muß man sich an die zweite Druckausgabe von Eduard Studer von 1871 halten.

Doch eine neue Ausgabe der Justinger-Chronik ist sinnlos, wenn man nicht zur gleichen Zeit eine Kritik an dem Werk einbaut.

Eine solche ist jedoch sicher nicht geplant.

Die Kritik an der offiziellen Darstellung von Justinger

Noch einmal sollen alle Kritik-Punkte an der offiziellen Darstellung von "Justinger" zusammengefaßt werden. - Ich habe diese in meinen beiden Büchern Die alten Eidgenossen (2022) und Die Ursprünge Berns (2023) dargestellt:

Justinger und die übrige Berner Chronistik von Tschachtlan über Schwinkhart, Frickhart und Valerius Anshelm sind Werke des Fälscherkreises der beiden Stettler.

Michael und sein Sohn Hieronymus Stettler haben die Berner - und zum Teil auch die älteste eidgenössische Chronistik geschaffen. - Doch auch diese werden in falsche Zeiten gesetzt: Die beiden Stettler wirkten etwa um 1770/80 und nicht über ein Jahrhundert vorher, wie uns die offiziellen Darstellungen vorlügen.

Justinger ist wie Anshelm ein Alter ego von Stettler. Die Inhalte und Absichten von deren Geschichtswerken sind gleich.

Ich fasse dies unter dem Begriff Justinger-Anshelm-Stettler-Komplex zusammen.

Schlagendes Beispiel der gleichen nachreformatorischen Grundhaltung dieser angeblich drei Chronisten (Justinger, Anshelm, Stettler) ist ihre Judenfeindschaft.

Der Name JUSTINGER ist Teil der Geschichtserfindung, die der Chronist aussagt. "Um 1220" - also zur Zeit von Friedrich II. von Hohenstaufen - soll es einen Reichsmarschall ANSELM von JUSTINGEN gegeben haben. IUS, das ist das Recht, welches der Hohenstaufen-Kaiser verkündet, zum Beispiel in Form der Handfeste von Bern.

Und ANSELM ist der Name des Justinger-Pendants Valerius ANSHELM.

Die Justinger-Chronik reicht wie Tschachtlan bis etwa 1475, nicht wie behauptet nur bis 1420.

Die genannten Chronisten, von Justinger bis Schwinkhart, decken das gesamte "Spätmittelalter" bis zur Reformation ab. Doch sie stammen aus der gleichen Schreibstube.

Die Justinger-Chronik wurde erstmals 1816 von Johann Rudolf Wyss dem Jüngeren gedruckt.

Das alte Bern hat "Justinger" bewußt in Manuskripten belassen.

Von der Justinger-Chronik wurden absichtlich eine Vielzahl von Manuskripten hergestellt, um eine uralte Entstehung und Wertschätzung vorzutäuschen.

Um eine lange Entstehungszeit von Justinger zu behaupten, wurden Vorläufer des Chronisten konstruiert. Besonders ist die lateinisch geschriebene Chronica de Berno zu nennen, angeblich "um 1320" geschrieben.

Dabei sind diese acht Druckseiten der Chronica nur ein schmaler Auszug aus dem normalen Justinger.

Ebenso fiktiv ist die Gestalt eines Ulrich Pfund, der diesen falschen Chronik-Vorläufer veranlaßt haben soll.

Die verschiedenen Handschriften von Justinger stellen Varianten der gleichen Chronik dar, die Unterschiede sind absichtlich geschaffen.

Justinger stellt wie alle alten und ersten Chronisten erfundene Geschichte dar. Aus seinem Chronikwerk sind nur wenige reale historische Ereignisse zu gewinnen.

Die Chronologie des Justinger ist absurd und bewußt widersprüchlich gearbeitet.

Justingers Chronik ist ein peudohistorisches Sagen- und Legendenwerk. Es sollte ein altes Bern in einer fiktiven Vergangenheit begründen.

Die beiden Stettler haben zuerst die Chroniken geschrieben und nachher die Urkunden geschaffen. So ist zum Beispiel die Handfeste von Bern "1218" als eine Schöpfung der gleichen Schreibküche anzusehen.

Fazit:

Justinger ist ein historischer Gallimathias, gleich wie die übrigen "antiken" und "mittelalterlichen" Geschichtswerke.

Ergänzung

Die universitären Historiker blenden in ihrem Geschichts- und Datierungswahn oft bewußt die gröbsten Widersprüche und Absurditäten aus.

Beispielsweise schreibt Hieronymus Stettler - der Sohn von Michael Stettler - in seiner Chronik (Burgerbibliothek Bern):

Er (H.S.) habe vom 28. April bis 6. Mai 1648 eine Abschrift von Justinger hergestellt, und zwar neben seinem Landschreiber-Dienst als Landvogt zu Interlaken und neben anderen Privat-Geschäften.

Fragen

In einer Woche habe dieser Mann (Hieronymus Stettler) die ganze Chronik abgeschrieben.

Im Jahre "1648" soll es nach offizieller Lesart aber schon längstens den Buchdruck gegeben haben. - Weshalb also hat Stettler wiederum eine Abschrift von Justinger erstellt? Und das (gemäß offizieller Chronologie) über 200 Jahre nach der Fertigstellung der Chronik!

 Die universitäre Geschichtsforschung schleppt die größten Absurditäten und Widersprüche mit; sie gehört in die Wüste geschickt!


Standbild für Adrian von Bubenberg
im Schloßhof von Spiez BE

Die Bronzestatue ist der zweitplacierte Entwurf bei der Ausschreibung eines Bubenberg-Denkmals in Bern anfangs der 1890er Jahre. - Der prämierte Entwurf steht heute am Hirschengraben in Bern (ursprünglich auf dem Bubenberg-Platz).

Die BUBENBERG sind ein fiktives Patrizier-Geschlecht der Berner Geschichtserfindung.

Bild: Autor, 15.11.2012