Die Handfeste für Bern von „1218“

Einige endgültige Bemerkungen zu einem wertlosen historischen Dokument.

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Die Handfeste wird auch behandelt in dem Buch:

Die Ursprünge Berns. Eine historische Heimatkunde Berns und des Bernbiets. Mit einem autobiographischen Anhang (Norderstedt 2022)

Der Anfang der Handfeste von Bern von "1218"

(Fridericus dei gratia Romanorum rex et semper Augustus
et rex Sicilie dilectis denotis sculteto consilio et universis burgensibus de Berno in Burgundia
gratiam suam et omne bonum. ...)

(Staatsarchiv Bern)

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Eine grundlegende Bemerkung zum Voraus:
Es gibt keinen Unterschied zwischen echten
und gefälschten Urkunden.

Alle Diplome sind echt oder gefälscht.
Es ist ganz einfach eine Sache der Perspektive.

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Noch eine Vorbemerkung:

Nach der Schwyzer Chronica des Johannes Stumpf (120v) sei Bern von Friedrich (II.) im Jahre 1232 für reichsfrei erklärt worden. - Ein Walter von Wädenswil wurde erster Schultheiss.

Wie erklärt man sich diese eklatante zeitliche und inhaltliche
Differenz gegenüber der heutigen offiziellen Auffassung?

 

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Eine bald 200-jährige überflüssige Diskussion

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Bern im Zuge der Urkundenforschung eine Diskussion um ein besonderes Dokument: die Handfeste von Bern, nach dem goldenen Siegel auch goldene Handfeste genannt. Diese auf Pergament geschriebene, imposante Urkunde ist mit „1218“ datiert und soll in Frankfurt am Main von Kaiser Friedrich II. ausgestellt worden sein.

Die Handfeste faßt die Stadtrechte zusammen, erklärt Bern für reichsfrei und gibt ihr das Recht einen Schultheissen zu wählen.

Eine solche Handfeste soll „1249“ auch Freiburg im Üechtland bekommen haben.

Über diese Urkunde, welche aus der Umgebung des Freiburger Geschichtserfinders Wilhelm Techtermann oder Guillimann stammt, vergleiche die Ausführungen in Die falsche Freiburger Handfeste von 1249.

Die Berner Handfeste von „1218“ wird aber von den wenigen staatlich besoldeten Fachleuten – Universitätsprofessoren und Staatsarchivaren – dem Publikum nach wie vor als städtische Geschichtsreliquie präsentiert.

In dem ärgerlichen Werk Berns mutige Zeit von 2003 wurde letztmals die obige Handfeste behandelt und für echt, aber ein paar Jahre später entstanden befunden.

Also fand im Januar 2017 im Staatsarchiv Bern wiederum ein Kolloquium statt, welches diesem (wertlosen) Diplom gewidmet war. Und wiederum wand man sich in gewohnt verklemmter Weise um die Frage der Echtheit. Ist diese Urkunde echt, unecht, „verunechtet“ oder ganz einfach ein paar Jahre später geschrieben worden?

Auf die Ergebnisse muß man nicht eingehen. Eine handverlesene Gilde von (orthodoxen) Mediävisten hat dort die gleichen Dinge wiedergegeben, die man seit hundertfünfzig Jahren kennt.

Die Kritik an der Berner Handfeste muss auch die bekannte Berner Stadtchronik von Konrad Justinger einschliessen. Die Analyse erweist, dass die Chronik und die Urkunde zur gleichen Zeit verfasst worden sind.

Meine Kritik

In meiner allgemeinen Urkundenkritik als Teil der historischen Quellenkritik habe ich mich auch zur Handfeste von Bern geäußert. Ich kann deshalb als Einwand den folgenden Abschnitt wiedergeben:

In Gestalt der Handfeste vom „15. April 1218“ besitzt Bern eine Art Verfassungsurkunde, welche verschiedenste zivil- und handelsrechtliche Bestimmungen zu einer Satzung zusammenfaßt. Das Diplom wurde in Frankfurt am Main vom jungen Hohenstaufenkönig Friedrich II. ausgestellt und trägt sein vergoldetes Siegel. Deshalb wird die Urkunde auch die goldene Handfeste genannt. Das etwa 40 mal 40 cm messende, gefaltete Pergamentstück ist eng beschrieben und fällt durch die schmucklose Gestaltung auf, die in einem grellen Kontrast steht zu der Bedeutung, die diesem Dokument beigemessen wird. Die Anfangs-Initiale der Urkunde ist sogar ausgesprochen dürftig ausgeführt.

Das also soll Berns ältestes schriftliches Zeugnis sein, kaum 27 Jahre nach seiner angeblichen Gründung ausgestellt? Das ist doch etwas zu viel behauptet!

Nun ist die Berner Handfeste bei den Geschichtsforschern häufig angefochten worden. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde von verschiedenen Gelehrten ein erbitterter Streit um die Echtheit der Urkunde geführt.

Die Meinung, die sich herauskristallisierte war die, daß die Handfeste eine Fassung aus späterer Zeit sei. Kaiser Karl IV. soll sie bei seinem Besuch in Bern „1365“ bestätigt haben.

Andere – auch Richard Feller – wollten die Urkunde nur zeitlich nach vorne schieben, aber sonst als echt hinstellen. Wiederum andere halten zur spitzfindigen Auffassung, daß die Berner Handfeste zwar unecht sei, aber ein echtes Siegel trage. – Und heute hält man offiziell in Bern, daß das Dokument wohl nur „einige Jahrzehnte“ nach dem behaupteten Datum verfaßt worden sei.

1953 – im Jahr des Jubiläums „Bern 600 Jahre im Bund der Eidgenossen“ ist aus der Feder des damaligen Stadtbibliothekars Rudolf Strahm ein Buch erschienen, das auf 130 Seiten zu beweisen suchte, daß die Berner Handfeste echt und zweifellos im Jahre „1218“ ausgestellt worden sei.

Strahms Buch stellt einen Tiefpunkt der Geschichtswissenschaft dar. Es ist nicht die Argumentation, die bei dem Buch betrübt, sondern die Tatsache, daß damit alle kritischen Ansätze in der Geschichtswissenschaft verworfen werden und die heute herrschende vollkommene Urkundenanbetung eingeleitet wurde.

Nebenher ein letzter Einwand gegen Strahms ärgerliche Apologie der Berner Handfeste: Wer so viel Seiten aufwendet, um die Echtheit nur einer Urkunde zu stützen, beweist das Gegenteil!

Aus geschichtskritischer Sicht ist die ganze Auseinandersetzung um die Echtheit oder Fälschung der Berner Handfeste verlorene Liebesmüh. Diese Urkunde ist so echt und so falsch wie alle anderen Stücke. - Und man muß einwenden, daß die Forscher allzu sehr nur formale Kriterien untersuchten: Wie unterscheide ich eine echte von einer falschen Urkunde von Friedrich II.? Das ist ein Katz-und-Maus-Spiel, weil alle Dokumente zeitlich auf einer Ebene stehen.

Weshalb vertraut man dennoch auf die Echtheit der Berner Handfeste? Ganz einfach, weil der angeblich älteste Geschichtsschreiber Berns, der bereits mehrfach erwähnte Justinger, diese Urkunde an mehreren Stellen erwähnt. Sogar das Datum „1218“ findet sich dort.

In einer anderen Abschrift von Justinger aber ist als Datum der Handfeste 1208 angegeben. Die Historiker tun dies als bloßen Verschreib ab. – Doch wir erkennen hier einen bewußten Kunstkniff der Geschichtsfälscher: Indem überall Widersprüche eingestreut wurden, wollte man zum Vornherein jegliche Klarheit verhindern. Damit nämlich wurde die Fälschungsabsicht weniger durchsichtig.

Der gleiche Justinger erzählt über die goldene Handfeste Berns auch eine hübsche Geschichte:

Da sei „um 1360“ die Rückkehr des zehn Jahre vorher verbannten Johann von Bubenberg nach Bern erwogen worden. Einige Bürger hätten Klarheit verlangt, ob eine solche Verbannung mit den Rechtsgrundsätzen der Handfeste vereinbar sei. Darauf hätte der Stadtschreiber die deutsche (!) Übersetzung der Handfeste gezeigt. Ein erzürnter Bürger namens Gnagbein sei darauf aufgestanden und habe die Urkunde mit einer Handvoll fauler Kirschen beworfen (Justinger, 123).

Die Befleckung der guldin hantvesty durch Kirschen, die Justinger erzählt, hat eine bestimmte Bedeutung, die man analysieren kann. Kirsche heißt lateinisch CERASUS, entvokalisiert CRSS. Diese Konsonantenreihe aber ist nahe an CRSTNS = CHRISTIANUS. – Mit der Erzählung wollte der Chronist also ausdrücken, daß die Handfeste Berns nicht nur golden, sondern auch christlich sei. – Schließlich ist die gesamte alte Geschichte eine religiöse Heilsgeschichte.

aus:
Christoph Pfister: Die alten Eidgenossen. Die Entstehung der Schwyzer Eidgenossenschaft im Lichte der Geschichtskritik und die Rolle Berns; Norderstedt 2022.

Was die Geschichtswissenschaft nicht richten kann, soll die Physik beweisen

An der neuen Diskussion über die Berner Handfeste ist ein einziger neuer Aspekt hinzu gekommen: die C 14-Altersbestimmung.

Bekanntlich gibt es seit den 1950er Jahren die radiometrischen Altersbestimmungen. Für die Historiker und Archäologen interessant ist dabei die Radio-Karbon-Methode oder C 14-Analyse. Es wird behauptet, daß man aus der Zerfallsgeschwindigkeit von radioaktivem Kohlenstoff das Alter der Entstehung eines vegetabilen Stoffes bestimmen könne.

Pergament ist wie Holz ein solcher Stoff. Weshalb also nicht mit dieser Methode das Alter des Objekts bestimmen?

Die C 14-Methode aber ist ein einziger riesengroßer Hokuspokus. Laien mögen von dieser Methode schwärmen. Aber wenn Wissenschafter auf diese angeblich naturwissenschaftliche Altersbestimmung zurückgreifen, hört der Spaß auf.

Man kann einen Stoff – ob organisch oder anorganisch – technologisch analysieren.

Aber es ist unmöglich, daraus ein Entstehungsalter zu bestimmen.

Ein einziger Einwand gegen die Versuche von radiometrischen Altersbestimmungen genügt:

Die Methode geht von dem Axiom aus, daß die Zerfallsgeschwindigkeit von Isotopen linear abläuft.

Das aber tut sie nicht. Isotopen zerfallen variabel, manchmal schneller, manchmal langsamer. Daraus läßt sich unmöglich ein Alter errechnen.

Aber die gläubigen Historiker, Archäologen und Geologen können nur solange etwas über die verschleierte Vorgeschichte erfahren, als ihre Chronologien stimmen.

Doch die universitären historischen Wissenschaften sind dogmatisch und orthodox wie die Staatskirchen. Die Dogmen sind unantastbar, besonders die Epochen und Zeitstellungen.

Am Beispiel der Urkunden liest sich das so:

Man darf vielleicht an gewissen Inhalten zweifeln, aber nicht an den Zeiten. Bern ist also "vor 800 Jahren" gegründet worden und die Eidgenossenschaft "vor 700 Jahren".

Schon vor zwanzig Jahren wurde die angebliche Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft von „1291“ mit der C 14-Methode untersucht.

Und neuerdings (2017) ist auch das Pergament der Berner Handfeste von „1218“ radiometrisch analysiert worden.

In beiden Fällen ergab sich Ähnliches:

Die Urkunde von „1291“ ist "ungefähr 700 Jahre alt".

Und die Handfeste von „1218“ hat ein Alter von "ziemlich genau 800 Jahren".

Weshalb stimmen diese Altersangaben, wenn die Methode Hokuspokus ist?

Nun, Geisteswissenschaftler und Naturwissenschaftler arbeiten Hand in Hand. Eine Hand wäscht die andere. - Beide Fakultäten haben ein Interesse daran, daß die konventionellen Dogmen und Methoden bestehen bleiben und geglaubt werden.

Die historischen Wissenschaften der Vorgeschichte haben abgewirtschaftet. Die universitären Disziplinen betreiben Geschichtsglauben oder Glaubensgeschichte.

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Der untere Teil der Handfeste von Bern
mit dem goldenen Siegel