W. Meyer/A. Garovi
Die Wahrheit hinter dem Mythos
Kritik

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Unter dem Vorwand der Entmystifizierung der Gründungsgeschichte
der Schwyzer Eidgenossenschaft werden historische Mythen zementiert

2023 ist wieder ein Buch über die eidgenössische Gründungsgeschichte erschienen. Dieses verspricht mit geschichtlichen Mythen aufzuräumen und die wahren Ursprünge des Schwyzer Bundes darzustellen.

Ich wusste zum voraus, dass daraus nichts wird.

Schon die beiden Autoren bieten Gewähr für den status quo ante:

Werner Meyer tat sich vor allem als Burgenforscher ("Burgen-Meyer") hervor.

Dort mag er sich gewisse Verdienste erworben haben.

Doch vor allem ist Meyer ein orthodoxer Historiker. Er glaubt, dass tatsächlich "1356" ein Erdbeben in Basel stattgefunden hat.

Angelo Garovi war Staatsarchivar des Kantons Obwalden in Sarnen.

Als solcher hütete er das sogenannte Weisse Buch von Sarnen - neben dem Bundesbrief von "1291" die zweite historische Nationalreliquie der Eidgenossenschaft.

Also kann man sicher sein, dass hier trotz vollmundiger Ankündigung nur olle Kamellen geboten werden.

Dass ich mit meinen Arbeiten (Die alten Eidgenossen und Die Entstehung der Jahrzahl 1291) zur Gründungsgeschichte Berns und der Eidgenossenschaft nirgends erwähnt werde, war für mich von Anfang an klar.

Würde man das Thema mit den Mitteln der Geschichts- und Chronologiekritik angehen, bliebe von der Darstellung kaum mehr etwas übrig.

Das Werk ist teuer ausgestattet, mit vielen, meist farbigen Abbildungen.

Aber was sollen die Reproduktionen von Urkunden von alten Bilderchroniken - besonders der Spiezer Schilling ist gut vertreten - wenn dahinter kein neuer Geist steht?

Die eingefügte Zeittafel der Geschichte der alten Eidgenossenschaft ist konventionell wie man sie seit jeher kennt.

Was soll man überhaupt zum Inhalt sagen?

Zuerst von wegen Entmythologisierung:

Schon Bruno Meyer in seinem Buch Weisses Buch und Wilhelm Tell, zuerst 1959 im Geschichtsfreund, der Zeitschrift des Geschichtsvereins der inneren Orte, dann 1985 als Buch neu herausgegeben forderte:

Die Befreiungsgeschichte müsse methodisch verarbeitet werden, denn nur der objektive Gehalt sei annehmbar (B. Meyer, 149).

Genauso machen es die beiden Autoren hier: Sie versprechen, mit Legenden und Mythen aufzuräumen. Aber danach folgt eine Darstellung wie man sie aus allen Geschichtsbüchern kennt.

Den Mythos von Wilhelm Tell hätte man gar nicht erst erwähnen sollen:

Seit Beginn der helvetischen Geschichtskunde Ende des 18. Jahrhunderts hat niemand an einen historischen Tell geglaubt. - Die beiden Meyer (Bruno Meyer und Karl Meyer in den 30er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts) machen eine Ausnahme.

Anders verhält es sich mit dem angeblichen Mythos des Burgenbruchs.

In dem Buch von W,Meyer und A. Garovi wird der in den Chroniken erwähnte Burgenbruch als Mythos abgetan.

Hier aber entmythologisieren die Autoren zuviel und unberechtigt:

Der Burgenbruch hat stattgefunden. In Burgen rund um Bern (2023) weise ich nach, dass dies ein Faktum ist und sich sogar in Einzelheiten und zeitlich relativ gut fassen lässt. - Nur müsste man hier die neuen Forschungsergebnisse zur Kenntnis nehmen.

Statt Burgenbruch spricht der Autor vage von einem "Burgensterben". Der "spätmittelalterliche Trend Burgen aufzugeben" (75) stehe  dahinter. - Wahrlich eine trendige Formulierung!

Mit Wilhelm Tell als Mythos rennen die beiden Autoren offene Türen ein. Doch den Burgenbruch kann man nicht als Legende abtun.

Wenn man das Buch liest, so scheint aber auch Tell wieder historisch zu werden. Anders kann man die breiten Ausführungen über diesen Nationalhelden nicht erklären.

Es gibt sogar seitenlange waffentechnische Ausführungen über die mittelalterliche Armbrust (143 ff)!

Meyer und Garovi bringen nirgends neue Erkenntnisse oder wenigstens Anregungen. Alles wird so dargestellt wie es sich in den übrigen konventionellen Büchern über die Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft findet.

Die angebliche Entmythologisierung der Ursprungsgeschichte wird sogar ins Gegenteil verkehrt:

Meyer und Garovi zementieren in ihrem Buch den Mythos von der Schweiz als Alpenland. Also sei die Eidgenossenschaft "vor 700 Jahren" von Fischern, Bergbauern und Alphirten rund um den grossen See in der Zentralschweiz gegründet worden.

Lange Ausführungen über Alpwüstungen, Talgemeinden und alpine Gebräuche sollen diese These stützen.

Kritik wird nirgends geäussert.

Das ist besonders ärgerlich beim Bundesbrief von "1291".

Dort wird als Legende zu einer Abbildung des Dokuments gesagt:

Die Echtheit dieser Urkunde sei nunmehr nachgewiesen (90).

Welche angeblichen Nachweise das sind, weiss ich.

Die Urkundengläubigkeit, die hier ausgedrückt wird, ist einfach unfassbar:

Da soll ein Schriftstück während 500 Jahren sorgfältig aufbewahrt worden, aber gleichzeitig unbekannt geblieben sein.

Hier wird jede Logik und jede Plausibilität verworfen.

Soll man sich noch länger mit einer Geschichtswissenschaft beschäftigen, die in Orthodoxie und Dogmatismus erstarrt ist?

Auch in den Einzelheiten werden von Meyer und Garovi keine neuen oder andere Erklärungen geboten.

Meistens bleibt es bei Änderungen in der Begriffswahl:

Also soll es sich bei den Erweiterungen der Eidgenossenschaft um Zusammenschlüsse, nicht um Beitritte gehandelt haben.

Was ist da der Unterschied?

Aber was soll ich mich länger mit diesem ärgerlichen Werk beschäftigen?