Berns mächtige Zeit

 Kritik an zwei angeblich geruhsamen Jahrhunderten bernischer Geschichte.


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Über die geschichtlichen Ursprünge Berns vgl. vom Autor:

Die Ursprünge Berns.
Eine historische Heimatkunde Berns und des Bernbiets. Mit einem autobiographischen Anhang
(2022)


Historisierende Stadtansicht Berns von Johann Ludwig Aberli, datiert 1753

aus: Berns mächtige Zeit, Bern 2006, Seite 149

Das Ölbild von Aberli stellt angeblich die "Kopie einer verloren gegangenen Stadtansicht von Gregorius Sickinger von 1607" dar.

Diese Behauptung kann man vergessen: Aus dem "17. Jahrhundert" sind keine Bilder erhalten. Die Kopie ist ein Original. Das Öl wurde geschaffen, um einen älteren baulichen Zustand Berns vorzuspiegeln. - Es ist dies eine Ansicht der Stadt von nach der Mitte des 18. Jahrhunderts. - Zur Täuschung wurden die Schanzen gegen Westen weggelassen, desgleichen die Haldensperrmauer an der Aare gegen Norden.


Die Berner Geschichtswissenschaft pflegt einen mächtigen Blödsinn

Die Herausgeber und wichtigsten Schreiber an diesem Buch wissen von der Fragwürdigkeit, historische Zeiten darzustellen, die es nicht gegeben hat. Das beweist schon das hochgestochene und pseudowissenschaftliche Kauderwelsch, das sie in der Vorankündigung gebraucht haben:

Von „Berns mächtiger Zeit“ zu sprechen, heißt, daß angesichts der Ambivalenz der Kategorie Macht und angesichts der Tatsache, daß Macht nie einfach gegeben ist, sondern permanent behauptet und realisiert werden muß, auch die Brüchigkeit und Prekarität von Machtansprüchen, die Vielschichtigkeit von Machtausübung, der Zwang zur Legitimation von Machtpositionen und die Fragwürdigkeit bernischer Machtentfaltung behandelt werden müssen.

(56 Wörter)

Berns universitäre Geschichtswissenschaft stellt wirklich eine mächtige Macht dar!


Das fragwürdige Geschichtsprojekt Berner Zeiten

Seit 1999 erscheinen unter dem übergreifenden Titel Berner Zeiten in regelmäßigen Abständen die Bände eines großangelegten Werkes über die ältere Geschichte Berns. 

1999 erschien als erster Band Berns große Zeit - eine Darstellung des "15. Jahrhunderts".

2003 folgte der Band Berns mutige Zeit, der es unternimmt, ein "13. und 14. Jahrhundert" bernischer Geschichte zu beschreiben.

Im Frühjahr 2006 erschien Berns mächtige Zeit - die Darstellung eines "16. und 17. Jahrhunderts". - Von diesem Buch soll im Folgenden die Rede sein.

Das Erscheinen dieser Bände über die Berner Geschichte fällt zusammen mit meiner erneuten Betrachtung der Geschichte jener Stadt.

Je mehr ich mich in das Thema vertiefte, desto mehr Kritik kamen mir an den monumentalen Bänden der Reihe Berner Zeiten.

Die Einwände ergeben sich aus der Geschichts- und Chronologiekritik:

Unsere Geschichtskenntnis hört nach wenigen Jahrhunderten vor heute ganz auf. Dahinter haben wir keine zuverlässigen Quellen mehr, können wir nicht mehr Geschichte schreiben und nicht mehr datieren. Und die vorgeschichtlichen Epochen sind viel kürzer zu sehen, liegen also näher bei der Jetztzeit.

Über die geschichtlichen Ursprünge Berns habe ich mich ausführlich in dem Buch Die alten Eidgenossen (2022) geäußert. Dort weise ich nach, daß wir vor 1700 keine Geschichte schreiben und nicht datieren können.

Von dieser Feststellung aus werden die drei erschienenen Bände von Berner Zeiten fragwürdig, unmöglich und sogar absurd.

Wer es versucht, eine Geschichte der Stadt Bern vor dem 18. Jahrhundert darzustellen, beschreibt einen Nicht-Ort in einer Nicht-Zeit. Und je mehr es in die zeitliche Tiefe geht, desto absurder wird das Unterfangen.

Die Herausgeber und federführenden Leute des Unternehmens Berner Zeiten tun und jedoch so, also gebe es da keine Probleme. Die Geschichte wird wie ein Holzschnitt dargestellt: Inhalte und Datierungen stimmen genau, dafür bürgen die Quellen und die Fachleute.

Besonders der Band Berns mutige Zeit schlägt in dieser Hinsicht dem Faß den Boden aus. Deshalb habe ich in meinem erwähnten Buch, aber auch online eine Besprechung geschrieben:

Christoph Pfister: Bern und die alten Eidgenossen: Von Berns großer zu Berns mutiger Zeit oder der Bankrott der Berner Geschichtswissenschaft.

 Barockes Geschichtsunterfangen

Der jetzt vorliegende Band Berns mächtige Zeit kommt in der gewohnten Ausstattung dar, also mit reicher, zumeist farbiger Bebilderung und modernen Grafiken.

Berner Zeiten ist für ein breites Publikum gedacht. Aber wie soll man in einem Buch lesen oder blättern, das 3, 4 Kilo schwer ist! - Bisher sind also gute zehn Kilogramm Berner Geschichte erschienen!

Sind wir noch in der Barockzeit, als jeder Gelehrte, der etwas auf sich hielt, dicke Wälzer im Folio-Format schrieb?

Auch für den Wissenschafter ist die Konzeption der Bücher nicht einladend: In den Bänden wird keine fortlaufende Geschichte geboten, sondern nur Facetten und Akzente. Und in diese sind Mengen von Artikeln und Kästchen eingeschoben. Diese erklären Einzelheiten, erschweren aber eine Orientierung.

Man bekommt den Eindruck von Patchwork, von Miszellensammlung, von Festschrift oder dergleichen: Viele Dinge werden geboten. Aber wo bleibt das Gesamtbild?

Die Darstellung nach Jahrhunderten ist vollends willkürlich - weil es diese Zeiten gar nicht gegeben hat. - Und auch die Schreiber haben Mühe, die angeblichen Fakten richtig einzuordnen. Schon hier geraten die alten Jahrhunderte ins Schwimmen.

Bern bleibt Bern

Bei dem neuen Band Berns mächtige Zeit der angeblichen älteren Berner Geschichte kann zuerst entwarnt werden:

Das Buch ist vergleichsweise harmlos. Anders als in dem wirklich ärgerlichen Band Berns mutige Zeit fallen verquere Behauptungen und inhaltliche und chronologische Verwerfungen zuerst nicht sonderlich auf.

Die Geschichte und die Kultur des "16. und 17. Jahrhunderts" in Bern und im Bernbiet wird scheinbar so dargestellt, wie es wirklich gewesen ist: opulent, zuweilen auch bieder, mit nur wenigen inhaltlichen Höhepunkten.

Je länger man darin blättert, desto mehr bekommt man den Eindruck: Hier wird  das Bild einer verschlafenen Stadt dargestellt, welche im Windschatten der großen Politik sich vor allem mit sich selbst beschäftigt hat.

Aber gleich muß eingewendet werden: Dieses verquere Bild eines frühneuzeitlichen Berns basiert nicht auf einer wahren Geschichte, sondern auf einer Geschichtsfiktion.

Vor der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts haben wir keinerlei inhaltlich und zeitlich plausible Angaben und Quellen. Somit ist die ganze Schriftlichkeit erst nach diesem Datum entstanden. - Aber auch die allermeiste dort wiedergegebene Kunst  gehört ins fortgeschrittene 18. Jahrhundert - dazu ein Grossteil der Architektur. Die eherne historische Zeitschwelle läßt sich nicht unterschreiten.

Die Herausgeber aber tun wie in den früheren beiden Bänden so, als gebe es in den älteren Zeiten keine Probleme. Quellen und Datierungen werden überall als sakrosankt hingenommen. Nirgends findet sich ein Anflug von Kritik.

Berns mächtige Zeit, zusammen mit Berns mutiger Zeit und Berns großer Zeit stellen recht eigentlich Monumente der historischen Kritiklosigkeit dar.

Seit Richard Feller vor sechzig Jahren, sogar seit Johann Ludwig Wurstemberger und Emanuel von Rodt im 19. Jahrhundert hat sich also in Bern in Sachen Geschichtsauffassung nichts geändert:

Noch immer wird eine unwirkliche Geschichtsauffassung vertreten, die so farbig und so hausbacken aussieht wie die Butzenscheiben in einem Zunfthaus: Bern bleibt Bern. - Neue Ideen kommen nicht in die Stadt rein. - Zweihundertfünfzig Jahre nach dem Beginn der Aufklärung hat diese hier noch nicht Einzug gehalten.

Ein überholtes Geschichtsbild

In Berns mächtiger Zeit versuchen die Herausgeber und etwa 90 Mitarbeiter "moderne" Detailerkenntnisse in die Nicht-Zeit "zwischen 1500 und 1700" hineinzustopfen.

Ein solcher Murks kann nicht funktionieren und muß zu den größten Widersprüchen führen. Diese sind auch in diesem Werk ersichtlich und werden von einzelnen Autoren teilweise offen ausgedrückt.

Die Fülle von Einzelbeiträgen und Details hat dabei den Zweck, die grundsätzliche Fragwürdigkeit des Geschichtsbildes zu überdecken. Niemand sollte merken, daß die zwei Jahrhunderte nur heiße Luft behandeln.

Die zahlreichen abgebildeten Titelseiten und Umschläge von gedruckten Büchern sollten wohl beweisen, daß die behauptete Geschichte wahr und gedruckt sei.

Michael Stettler und die Anfänge der Berner Geschichtsschreibung

Schon vor einem Jahrzehnt habe ich erkannt, daß Berns Geschichte mit der Person des Chronisten Michael Stettler (angebliche Lebensdaten: 1580 - 1642) beginnt. Dieser Mann schrieb angeblich alle früheren Geschichtswerke Berns - von Justinger über Anshelm bis zu Schwinkhart - ab und verfaßte auf deren Grundlage das älteste gedruckte Geschichtswerk, die Annales oder das Chronicon ("um 1630").

Aber Stettlers Biographie ist gefälscht, der Mann muß in das fortgeschrittene 18. Jahrhundert verschoben werden. Er und sein Umkreis haben alle Quellen und Geschichtswerke geschaffen, beziehungsweise gefälscht. - Die Parallelitäten, etwa zwischen Justinger, Diebold Schilling,  Anshelm und Stettler beweisen dies.

In dem Buch gibt es einen Artikel über Michael Stettler. Dieser aber erzählt nur Altbekanntes. Die Parallelen zwischen Anshelm ("um 1530") und Michael Stettler ("um 1630") werden zwar gewürdigt. - Aber nichtsdestoweniger sollen dies zwei unterschiedliche Chronisten gewesen sein - durch ein Jahrhundert voneinander getrennt.

Und Michael Stettler ist offenbar nur ein Epigone nach den "spätmittelalterlichen" Historiographen, also Justinger, Schilling und Anshelm. Der Wust der gefälschten Quellen - von den Urkunden über die Ratsbücher bis zu den Chroniken - sei schon da gewesen und von den barocken Chronisten nur erstmals ausgewertet worden.

Die Quellenfrage wird in Berns mächtiger Zeit ignoriert: Alles hat so bestanden und ist so geschaffen worden, wie es in den Lexika und Handbüchern dargestellt wird.

Man muß alles glauben, auch wenn es absurd ist, so lautet die Schlußfolgerung aus diesem ärgerlichen Werk.

  Bern, eine mächtige Stadt in einem kulturellen und geistigen Ödland

Gemäß der überlieferten Geschichtsauffassung sind das 16., 17. und teilweise noch das 18. Jh. ruhige Zeiten. Der Schlachtenlärm und das Waffengeklirr des "Mittelalters" war verhallt. - Nach der Reformation "um 1528" kehrte in Bern eine halkyonische Ruhe ein. - Nur vielleicht der Bauernkrieg "1653" und drei Jahre später der erste Villmerger Krieg geben ein paar Akkorde.

Berns mächtige Zeit sieht keinen Grund, an dieser sonderbaren frühneuzeitlichen historischen Ruhe etwas zu ändern.

Das Buch gibt sogar zu, daß es mit der militärischen Macht Berns nicht mehr weit her war:

Während sich die administrative Herrschaft festigte und juristisch absicherte, schwand die militärische Macht. (29)

Wie überall in der erfundenen Geschichte stellt man nämlich eine anfängliche Vollendung mit nachfolgendem langem und langsamen Verfall fest.

Über die Chronologie der weit gespreizten "mächtigen" Zeit macht sich keiner der Mitarbeiter auch nur den geringsten Gedanken.

Das Einzige, was man findet, ist ein Artikel Streit um den richtigen Kalender (135). - Aber dieser erzählt Altbekanntes. Die Protestantische Kalenderreform von 1700 wird erwähnt, aber nicht als Auslöser eines neuen Kalenders und vor allem der heutigen Jahrzählung begriffen.

Die nachreformatorische Zeit wird als Epoche der Konfessionalisierung begriffen, bei welcher die religiöse Dimension im Zentrum von Staat und Kultur stand. (163). - Aber war nicht das ganze vorherige "Mittelalter" religiös und kirchlich durchtränkt?  Verwechselt man hier nicht Früheres und Späteres?

Ein kunsthandwerklicher, künstlerischer, buchdruckerischer und geistiger Reichtum wird für jene angeblich mächtige Zeit Berns ausgebreitet. Dabei stand es mit der Geistigkeit Berns sehr schlecht.

Berns Gleichgültigkeit gegenüber Kunst und Wissenschaft im 17. Jahrhundert muß erschreckend gewesen sein:

Tatsächlich war der Impetus des frühen 16. Jahrhunderts spätestens im 17. Jahrhundert erstarrt. Nützlichkeit und Staatszweck waren die bestimmenden Kräfte. ... Man beschränkte sich auf Rezeption und Kompilation. ... Eine zunehmend untergeordnete Rolle spielte (auch) die Literatur. (273)

Man fragt sich, wie Bern überhaupt noch eine mächtige Rolle spielen konnte, da es doch nach der "Reformation" zusehends zu einer kulturellen und geistigen Ödnis herabsank, die von Kretins regiert wurde.

Das absurde Bild entspricht dem verqueren Geschichtsbild:

Zwischen der Reformation und der Aufklärung gibt es wenig zu vermelden, weil alles in illusionäre frühere Epochen, "Altertum", "Mittelalter" und "Reformation" verschoben und bereits in den früheren Bänden behandelt wurde.

Die stumpfsinnige Auffassung von Berns geistigem Verfall steht schon bei Richard Feller in seiner Geschichte Berns.

In den letzten 70 Jahren bernischer Geschichtswissenschaft hat also niemand gemerkt - oder wollte es nicht merken - daß mit dem überlieferten Bild der alten Geschichte etwas nicht stimmt.

In der Kunst ist jenes Zeitloch zwischen dem Ende der Reformation "um 1530 - 1550" bis weit ins 18. Jahrhundert am deutlichsten sichtbar.

Die Kunsthistoriker haben es sogar ausgesprochen.

Auch in Berns mächtiger Zeit werden diese angeblichen Dark Ages genannt.

Georges Herzog hat 1999 eine konventionelle gearbeitete Monographie über den Berner Burgenmaler Albrecht Kauw verfaßt. Auch in diesem Band kommt er zu Wort:  Herzog hält Kauws Bilder für eine Ausnahme in diesem künstlerisch weitgehend öden Zeitalter. (358)

Aber Zweifel an der unmöglichen Datierung der Berner Künstler - von Niklaus Manuel über Albrecht Kauw bis hin zu Johannes Dünz und Wilhelm Stettler - kommen auch ihm nicht.

An Kauws Bildern hat Dünz teilweise mitgewirkt. Kauw hat Niklaus Manuel kopiert. Und der Künstler Wilhelm Stettler gehört ebenfalls in diesen Kreis.

Aber alle diese Künstler und ihre Bilder sind erst im 18. Jahrhundert plausibel. - Damit fällt das angebliche künstlerische chronologische Loch zwischen Reformation und Aufklärung zusammen.

In dem Artikel Kauw - ein Berner Maler um 1770 ff. habe ich die verfrühte Datierung des Malers nachgewiesen.

Zwischen Kunstband und Auktionskatalog

Zweifel sollen an dem Geschichtsbild von Berns mächtiger Zeit nicht aufkommen - wie schon mehrmals gesagt. Das besorgen die Vielzahl von Beiträgen, die den Überblick vergessen lassen.

Und vor allem soll die üppige Bebilderung jeden kritischen Gedanken einschläfern.

Wie schon in den beiden bereits erschienen Bänden wird man überflutet von einer Vielzahl von meist farbigen Fotos, Abbildungen, Reproduktion und Grafiken.

 Die unförmigen Bände Berner Zeiten machen über weite Strecken den Eindruck von Kunstbänden oder Auktionskatalogen.

Eine ganze Reihe Kanzeln aus bernischen Kirchen findet sich abgebildet, ebenfalls seitenweise Gold- und Silberhandwerk.

Kauws Burgen-Aquarelle sind bereits in den früheren Bänden, besonders in Berns mutiger Zeit in großer Zahl reproduziert worden.

Auch Berns mächtige Zeit macht den Eindruck, als hätte es in jenen beiden Jahrhunderten nur Albrecht Kauw als Aquarellist und Maler gegeben.

Neu kommt Wilhelm Stettler dazu mit seinen realistischen Aquarellen von der Stadt Bern. Diese zeigen zum ersten Mal auch städtische Strassen wie die Spitalgasse. Und sogar eine Badeszene an der Aare ist abgebildet.

Aber die stilistischen Merkmale und die Inhalte verweisen Wilhelm Stettlers Bilder in die Zeit um 1780, kurz vor dem Barock - nicht in ein ausgehendes "17. Jahrhundert" - desgleichen die anderen Maler wie Joseph Werner und Johannes Dünz .

Der letztgenannte Künstler ist überhaupt noch nicht erforscht. Aber man muß davon ausgehen, daß hinter den verschiedenen Malern, welche diesen Namen tragen, eine einzige zeitgenössische Künstlergruppe steht, daß die Namen also austauschbar sind. - An vielen Kauw-Aquarellen zum Beispiel war Dünz mitbeteiligt und hat mit signiert.

Bernisches Glockengeläut

Über das imposante gotische Berner Münster werden nur Details erzählt. Denn nach herrschender Chronologie wurde jenes Gotteshaus "im 15. Jahrhundert" erbaut. - Nur die Fertigstellung und die Ausstattung falle in die folgenden zwei Jahrhunderte.

Dabei öffnet sich ein Paradoxon: Wenn es etwas in die Zeit vor 1700 zu setzen gäbe, so das Münster. Mit dessen Bau wurde vielleicht schon vor der genannten Jahrhundertwende begonnen -  Jahre, aber keinesfalls Jahrhunderte.

Dafür werden über die Ausstattung der Berner Kathedrale unmögliche Dinge erzählt.

Chorgestühl wird bedenkenlos in jene angebliche Epoche gesetzt, nur weil irgendeine Zuschreibung dies behauptet.

Das Denkmal für Herzog Berchtold V. von Zähringen im Münster soll von "1601" stammen! - Ein Jahrhundert später waren die Zähringer aber noch nicht erfunden. - Und jenes Denkmal sieht eher nach Rokoko als nach Barock aus. - Kunsthistoriker scheinen blind zu sein!

Der Gipfel stellt die gewaltige Münsterglocke dar: Diese wurde angeblich "1611" gegossen.

Hat man sich überhaupt einmal überlegt, was für eine Technologie nötig war, um einen 9500 kg schweren Klangkörper zu gießen - und wann diese Technik zur Verfügung stand?

Die Berner Münsterglocke ist von den Verzierungen (einem Bärenfries) und der Inschrift her wie alle anderen alten Glocken in das spätere 18. Jahrhundert zu setzen.

Übrigens: Weshalb wurde für den Guß und den Aufzug der Berner Münsterglocke das Jahr 1611 gewählt? - Doch sicher weil die Endzahl 11  eine Jesus-Zahl ist!

Historisches Klima

Die Herausgeber von Berns mächtige Zeit haben unter den 90 Mitarbeitern auch Leute mit Rang und Namen befragt.

Der prominenteste Mitarbeiter ist Christian Pfister, seines Zeichens emeritierter Professor für Klimageschichte in Bern. In diesem Buch kommt er in dem Teil Umwelt, Bevölkerung und Wirtschaft ausführlich zu Wort.

Wirtschaft,  Klima und Umwelt ist ein aktuelles Thema. Weshalb diese Aspekte nicht auch in dem "16. und 17. Jahrhundert" von Berns angeblicher Geschichte behandeln?

Also findet man in jenem Teil zuerst eine Tabelle mit Witterungsanomalien über diese zwei Jahrhunderte (S. 372); dann auf der nächsten Seite eine Luftdruckkarte vom "Sommer 1540", angeblich einem großen Sonnenjahr.

Es geht weiter mit Schwankungen des Grindelwald-Gletschers im 16. und 17. Jh., mit einer Luftdruckkarte von Europa "im Winter 1694/95"  und mit einer rekonstruierten Karte über die Großwetterlage in Europa "im Februar 1566".

Spätestens hier muß Protest eingelegt werden gegen die pseudogenauen klimahistorischen Ausführungen.

Von wo kommen die Daten, um in ferner Vergangenheit sogar einzelne Hochwasser, extrem kalte Winter und trockene Sommer so genau beschreiben zu können?

Der Autor Christian Pfister gibt am Anfang bereitwillig Auskunft: Das Material gewinnt man aus Chroniken, Briefen und Tagebüchern. Diese liessen sich chronologisch ordnen und zu einer Klimageschichte zusammenfügen.

Aber um Himmels willen! Wie soll man zuverlässige Angaben über die angegebenen Zeiten gewinnen, wenn die ganze Schriftkultur erst nach 1760 entstanden ist? - Und wie soll eine Klimachronologie erstellt werden, wenn über diese entfernte Epoche keinerlei Zeitstellungen möglich sind?

An der in diesem Buch ausgebreiteten Klimageschichte zeigt sich, wie alle Fachleute sich blauäugig auf Schriften und Datierungen verlassen, die nachher geschaffen, folglich falsch und absurd sind.

Berner Geschichtsglaube oder Berner Glaubensgeschichte

Was soll man von einer solchen Geschichtswissenschaft halten, die derart unqualifizierbare Werke hervorbringt?

Wie lange wollen ein Klüngel von Wissenschaftern und Fachleuten ein Geschichtsbild stützen, das nicht stimmt?

Und vor allem: Warum überlegt niemand etwas? - Man braucht zuerst nicht Fachmann zu sein. Verlangt wird vielmehr an erster Stelle eine kritische Grundhaltung, der Gebrauch der Sinne und ganz allgemein ein gesunder Menschenverstand.

Die Bände von Berner Zeiten stellen ein Monument des Berner Geschichtsglaubens dar - oder eine Bibel der Berner Glaubensgeschichte.