Sintram und Guntram oder die Gründung von Burgdorf
aus:
Christoph Pfister
Teufelssagen aus der Umgebung von Bern
100 Seiten mit 15 Abbildungen
Norderstedt: Books on Demand 2025
ISBN: 9783819229640
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Ich habe lange gezögert, ob ich diese Sage aufnehmen soll oder nicht.
Doch da sogar Jeremias Gotthelf darüber eine Erzählung geschrieben hat, will auch ich über den düsteren Ursprung der Stadt Burgdorf berichten.
In alten Zeiten gab es zwei brüderliche Grafen mit Namen Sintram und Guntram. – In einigen Geschichten wird ein dritter Bruder namens Bertram genannt. - Diese beschlossen, am Ausgang des Emmentals eine Feste und eine Stadt zu gründen.
Also steckten die adeligen Brüder die Umrisse der Anlagen ab, zuerst der Burg auf dem Felsenhügel und danach des Städtchens an seinem Fuße.
Die Absichten der beiden Grafen mißfielen dem Teufel, welcher keine gottesfürchtigen Leute und Orte am Eingang des Emmentals haben wollte.
Aber da der Grüne selbst nichts machen konnte, beschwor er einen Drachen, etwas für ihn zu tun. Das Untier lagerte nämlich auf der nördlichen Gisnaufluh, jener schroffen Felswand über der rechtsufrigen Emme, gleich gegenüber Burgdorf.
Also äugte der Drache mißgünstig auf die Vorbereitungen zur Gründung von Burg und Stadt. Und bald begann er vor Wut zu schnauben und zu speien und erzeugte dabei einen fürchterlichen Qualm und feurige Ströme.
Es entstand großer Schaden an Leuten und an Vieh. Und die Arbeiten an der Gründung des Orts mußten ruhen.
Da beschlossen die beiden Grafen, die Gegend von diesem Ungetüm zu befreien.
Mit Schwertern und Speeren bewaffnet überquerten die Brüder die Emme und schickten sich an, von Norden her zu den Gisnauflüen hinaufzusteigen.
Doch unversehens kam der wütende Drache von den Felsen herunter und stürzte sich auf die beiden.
Guntram, der jüngere Bruder, stellte sich dem Ungeheuer in den Weg. Aber der Drache ließ sich nicht beeindrucken und verschlang den mutigen Grafen bei lebendigem Leib.
Sintram jedoch zeigte sich ebenso kühn und setzte dem Lindwurm mit Schwert und Speer dermaßen zu, daß er nach kurzem Kampf verendete. Sogleich schlitzte er dem Untier den Bauch auf und befreite den noch lebenden Bruder.
Danach konnte die Gründung von Stadt und Burg fortgesetzt und beendet werden.
Zum Gedächtnis an die Tat stifteten die beiden Brüder an der Stelle des Geschehens eine Kapelle, in welcher das merkwürdige Ereignis auf einem Bild zu sehen war.
Das kleine Gotteshaus steht noch heute und erinnert an die schaurige Begebenheit bei der Gründung Burgdorfs.
Eine Erklärung der Namen soll nicht fehlen.
In Sintram steckt die Bedeutung heiliges Troja.
Guntram verrät ebenfalls Troja, mit vorangestelltem Gunter, was Bur-Gunder bedeutet.
Die Grafen sollen aus Lenzburg gekommen sein, behauptet die Sage, doch waren sie offenbar stolz auf ihre burgundische Herkunft.
Dann zu den Gisnauflühen.
Diese fast hundert Meter hohen Felswände aus Sandstein gegenüber von Burgdorf scheinen ein Geheimnis zu bergen.
Und tatsächlich: Auf dem nördlichen Felskopf befindet sich eine alte Wehranlage mit einem Burghügel und ein paar Abschnittsgräben.
Betrachtet man den Plan der Burg auf der Gisnaufluh, so erkennt man darin den Kopf und die Schnauze eines Krokodils oder eines Lindwurms. – In meinem Werk Burgen rund um Bern findet sich eine Planskizze
Die Bürger von Burgdorf ahnen wohl längst nicht mehr, daß sich auf einem Felsen unweit der Stadt das Bild eines Ungeheuers in die Erde eingezeichnet findet.
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aus:
Christoph Pfister
Burgen rund um Bern
Eine Auswahl mit Plänen, Bildern, Beschreibungen
und einer Einführung in die Burgenkunde.Nebst weiteren Objekten in der Westschweiz.
Norderstedt 2024
S. 147