Die falsche Kalenderscheibe oder Himmelsscheibe von Nebra oder Sangerhausen


Uwe Topper erkennt in dem Sensationsfund aus Mitteldeutschland eine plumpe Fälschung

Die sogenannte Kalenderscheibe oder Himmelsscheibe von Nebra oder Sangerhausen - ein gefälschter Bodenfund


Vorbemerkung des Herausgebers

Seit fünf Jahren überschlagen sich die Medien - Presse und Fernsehen - über einen rätselhaften Fund südlich des Harzgebirges in Deutschland. Die Rede ist von der sogenannten Kalenderscheibe oder Himmelsscheibe von Sangerhausen oder Nebra.

Ich selbst habe mich nie ausführlich mit dem Gegenstand befaßt, aber andere aus meinem Kreis zu Ihrer Meinung befragt.

Und nun hat Uwe Topper aus Berlin seine Bemerkungen zur Himmelsscheibe von Nebra veröffentlicht. Die Schlußfolgerungen lauten: Der Fund kann nur eine Fälschung sein.

Topper ist ein unbestechlicher Betrachter von antiken Fundstücken und Kunstgegenständen. Bereits vor fünf Jahren hat er zum Beispiel den berühmten Pergamon-Altar in Berlin als Fälschung erkannt.

Mir selbst haben schon längst an dem Fund aus Sangerhausen oder Nebra mehrere Dinge aufgefallen, die mich stutzig machten.

Die Einwände sind folgende:

  • Die Fundgeschichte ist windig. Drei verschiedene Fundorte (Sangerhausen, Nebra, eine Kreisgrabenanlage) wurden nacheinander genannt.

  • Die Datierung ist absurd. - Und gab es in grauer Vorzeit schon Metallverarbeitung?

  • Die Goldtupfer auf der Scheibe müssen galvanisch aufgebracht worden sein. - Galvanik und Löt-Technik in einer sagenhaften Bronzezeit?

  • Die Story vom Versuch eines illegalen Verkaufs des Fundes, den die Polizei in letzter Minute im Hotel Hilton in Basel verhindern konnte, trieft nach billiger Mache. Damit sollte das Interesse an der Fälschung zusätzlich angeheizt werden.

  • Astronomie der Vorzeit ist ein sehr heikles Thema.  Genaues läßt sich darüber nicht sagen, weil wir keine genauen Angaben haben.

  • Die sensationelle Aufbauschung des Fundes beweist allein schon, daß damit etwas nicht stimmt. Die größten Funde erweisen sich häufig in Wirklichkeit als die größten Fälschungen.

Aber lesen wir, was Topper über Nebra oder Sangerhausen mitteilt.

Uwe Topper über die Kalenderscheibe von Nebra oder Sangerhausen

Laut Presseberichten fanden im Juli 1999 zwei "Burschen" (immerhin 31 und 38 Jahre alt) knapp unter der Oberfläche eine Bronzescheibe im Ortsbereich von Sangerhausen und wollten diese, zusammen mit einigen Beifunden, darunter Schwertern - die durchaus echt sein könnten - an das zuständige Landesamt für Denkmalschutz in Halle verkaufen. Aber erst am 23. Februar 2002 konnte die Schweizer Kripo in Basel das begehrte Fundstück beschlagnahmen und untere größten Sicherheitsvorkehrungen (!) nach Mitteldeutschland überführen.

Inzwischen haben sich Finder und Archäologen auf den korrekten Fundort geeinigt: Es ist jetzt der Mittelberg bei Nebra - nicht mehr Sangerhausen. - Auch hört man, daß die Kalenderscheibe in einer sogenannten Kreisgrabenanlage gefunden worden sei. - Welcher Ort ist nun richtig?

25 Sterne sind auf dem Diskus absichtlich chaotisch angeordnet. Und am Rand finden sich zwei Horizontbögen aufgenietet. Diese markieren die Endpunkte der Sonnenbahn im Jahreslauf auf der geographischen Breite von Nebra. Dazu kommt noch eine Sonnenbarke oder ein Milchstraßen-Ausschnitt, ferner die Mondsichel und die Sonnenscheibe (oder vielleicht der Vollmond?).

Man weiß zwar nicht, was oben und was unten sein sollte. Zwei Stellungen werden vorgeschlagen. Aber sonst sind sich die Fachleute sicher: Die Scheibe beweise, daß die "Urgermanen" von Nebra (oder Sangerhausen) "vor 3600 Jahren" generationenlange Beobachtungen des Himmels durchführten und darum so genau auf Metall darstellen konnten.

So genau? 25 Sterne sind ja absichtlich chaotisch verteilt, wie der offizielle Text lautet. Und die sieben Tupfer, die als Plejaden gedeutet werden, haben absolut nichts mit dem sechssternigen Plejadenbild zu tun, das etwa wie ein kleiner Wagen aussieht.

Außerdem befinden sich die Plejaden nördlich der Ekliptik und passen dann nicht zu den beiden Himmelsbögen. Was aber viel schlimmer ist und jedes Kind korrigieren würde:

Die der Sonne gegenüber liegende Mondsichel ist verkehrt herum gekrümmt! Sie wendet ihre beschienene Seite von der Sonne ab. Das ist unter keinen Umständen möglich.

Damit ist das kleine "Schmuckstück eines Astropriesters" (Matthias Schulz im Spiegel) als Spielerei oder moderne Fälschung erkannt.

Weit ausführlicher schrieb ich (U.T.) darüber im Sommer 2003 und dachte, daß dieser Spuk in wenigen Tagen auffliegen würde.

Doch im Gegenteil: Die Herren Akademiker überschlugen sich in Lobeshymnen, und die Randszene wurde immer esoterischer, bis schon komplette Weltuntergänge aus der Scheibe prophezeit wurden.

Allmählich wurde klar, daß es nur um Geld für das Museum in Halle ging. - Und da schweigt der Gentleman. Denn Geld brauchen wir ja alle.

Unverzeihlich fand ich allerdings, daß einige angesehene Universitäten und sogar naturwissenschaftliche Labors den Zauber mitgemacht haben. - Dabei sieht jeder Fachmann aus dem Augenwinkel, daß die Scheibe keine zehn Jahre alt ist.


Nachträglich hat sich doch eine Gegenstimme aus universitären Kreisen gemeldet: Peter Schauer, Professor in Regensburg, hält die Scheibe aus Nebra ebenfalls für eine Fälschung. Seine Argumente sind ebenfalls die windige Auffindungsgeschichte samt versuchtem Hehler-Verkauf. Dann hat er auch präzise technologische Argumente gegen den Fund: Vergoldungen gab es in der Bronzezeit noch nicht. Die Scheibe weist auf der Hinterseite Bearbeitungsspuren mit einem modernen Zangenwerkzeug auf. Der Vorderseite fehlt die notwendige Patina. Die Korrosionsspuren sind ungleichmäßig. Das Metall, beziehungsweise die Legierung, spricht eher für die Neuzeit.

Den Zweck scheint das Landesdenkmalamt Sachsen-Anhalt jedoch erreicht zu haben: Bis 2010 will die deutsche Forschungsgemeinschaft mit einem Aufwand von sage und schreibe drei Millionen Euro in dem Bundesland nach bronzezeitlichen Spuren suchen lassen! - Die Archäologen werden sich ob dieses Beschäftigungsschubs sicher freuen!


1.12.2005