Karl den Grossen hat es nicht gegeben. Aber alle Herrscher vor und nach ihm (Augustus, Gregor der Grosse, Otto der Grosse, Friedrich Barbarossa, Karl V., usw.) sind in gleicher Weise erfunden! - Eine unmögliche Behauptung!

Anti-Illig

Heribert Illig und seine unmögliche These über Karl den Grossen

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2019

Endlich: Heribert Illig hat Ende 2018 das Erscheinen der Print-Ausgabe seiner "Zeitensprünge"eingestellt. - Das war nötig: Seit Jahren musste der Herausgeber mangels Nachwuchs die meisten Beiträge seiner Zeitschrift selbst schreiben.

Illig hat mit seiner unsinnigen These von 297 fehlenden Jahren im "Frühmittelalter" der Geschichtsanalytik schwer geschadet.

Unglaublich, dass Illig in Deutschland noch heute etliche treue Anhänger hat.


Die Verderbnis des Besten ist ganz schlecht

Im Kreis der Wissenschafter und Interessierten, die sich mit der älteren Geschichte, der Vorgeschichte, der Menschheitsentwicklung, Erdgeschichte und dem Problem der Zeitstellungen befassen, ist der Name Illig – wenigstens im deutschsprachigen Raum - bekannt; und mit den Ergebnissen jenes Kreises sicher schon mancher konfrontiert worden. Leider ist jene Gruppe und ihr Haupt heute ein Ärgernis erster Güte geworden. Da ist es nötig, einem breiteren Publikum dazulegen, warum das so gekommen ist.

Eine gewisse Publizität hat Heribert Illig und seiner These über Karl den Grossen zu einem Nimbus verholfen, daß darob die berechtigte Kritik ausblieb. Und seit langer Zeit ist der Fall sogar so, daß Erkenntnisfortschritte nicht mit, sondern nur in Opposition gegen diesen Mann möglich sind. Ein anfänglich brauchbarer Denkansatz ist aus verschiedenen Gründen ganz schlecht geworden.

Vorzeit, Frühzeit, Gegenwart

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts machten sich erstmals ein paar Autoren bemerkbar, die neue Denkansätze in die Vorgeschichte und alte Geschichte hineinbrachten. Zuerst erschien von Gunnar Heinsohn Die Sumerer gab es nicht (1988), eine Widerlegung der Behauptung der Altorientalistik von einer uralten sumerischen Kultur, die in Tat und Wahrheit als die chaldäische einer viel jüngeren Epoche anzusehen ist. Im gleichen Jahr gab Heribert Illig das Buch Die veraltete Vorzeit heraus, in welcher er für alle alten Kulturen, von Babylonien über die Hethiter bis zu den alteuropäischen Kulturen umfangreiche Zeitkürzungen postulierte und deren Entfaltung auf wenige Jahrhunderte beschränken wollte. - Es ging weiter mit Wann lebten die Pharaonen? (1990), verfaßt von Gunnar Heinsohn und Heribert Illig, einer Neubetrachtung der überlangen Geschichte des alten Ägyptens aufgrund archäologischer und technologischer Befunde. Das Fazit lautete, daß die Geschichte Ägyptens und des alten Orients radikal verkürzt werden müsse. - 1991 wagte sich Heinsohn auch an die Urgeschichte heran in seiner Schrift Wie alt ist das Menschengeschlecht? Darin plädiert der Autor aufgrund einer Neubeurteilung der Stratigraphie dafür, die Entwicklung des Homo Sapiens von der Altsteinzeit bis zu den Hochkulturen auf wenige Jahrtausende zusammenzustreichen.

Alles dies waren kühne und fruchtbare Denksätze, die halfen, ein seit Jahrzehnten, in großen Teilen schon seit dem 19. Jahrhundert gepflegtes orthodoxes Bild der Vorzeit aufzureißen und die Fakten neu zu betrachten. Da war es nur logisch, daß für die Bemühungen dieses langsam wachsenden Kreises von unorthodoxen, freien Forschern auch eine neue Zeitschrift geschaffen wurde. Zuerst 1989 erschienen unter dem Titel Vorzeit, Frühzeit, Gegenwart Beiträge von historischen, archäologischen und kulturgeschichtlichen Systemkritikern.

Ihr Herausgeber war von Anfang an Heribert Illig. Die anfänglich dürftige Aufmachung des Bulletins verbesserte sich zusehends und erreichte Mitte der neunziger Jahre ihr heutiges Aussehen und den heutigen Titel Zeitensprünge. Daß die Zeitschrift vom Inhalt her immer eintöniger wurde, die ursprünglichen revolutionären Denkansätze der Anfangszeit zugunsten einer reaktionären und sterilen Bewahrungstendenz aufgegeben wurden, hängt eng mit der persönlichen Entwicklung des Herausgebers zusammen.

Von Zweifeln an Karl dem Grossen zur „größten Fälschung der Geschichte"

In fast logischer Folge der Erkenntnis, daß die Vorgeschichte der Menschheit und die Geschichte der alten Kulturen viel kürzer ist als von der offiziellen Wissenschaft behauptet, kamen Illig seit Beginn der neunziger Jahre auch Zweifel an der christlichen Zeitrechnung. Daß wir auf volle zweitausend Jahre Christentum zurückblicken könnten und alle Epochen dieses großen Zeitraumes gleichermaßen plausibel durch Quellen und Artefakte belegbar seien, schien plötzlich fragwürdig. Ein fast genialer Gedanke! Illig wählte als ersten Ansatzpunkt der Kritik die christliche Zeitrechnung und glaubte errechnen zu können, daß die Gregorianische Kalenderreform von 1582 zu kurz gegriffen habe: Der Ostertermin und die astronomische Länge des Jahres stimme seit dieser Zeit. Aber um den Kalender Julius Caesars von 45 v. Christus wiederherzustellen, wäre es nötig gewesen, nicht zehn, sondern fast dreizehn Tage ausfallen zu lassen. Und jeder Tag unterlassenen Ausfalls stehe nach einer komplizierten Berechnung für 128 fehlende Jahre. Somit ergäbe sich, daß im christlichen Kalender zwischen 250 und 350 Jahre zuviel geführt würden. - Wir leben heute also nicht im Jahr 2000, sondern etwa im Jahr 1700.

Wenn aber dreihundert Jahre zuviel gezählt würden, so müßten in der Kulturgeschichte zwischen der Geburt Christi und 1582 irgendwo dreihundert schlecht belegbare oder erfundene Jahrhunderte zu finden sein – analog zu den Dark Ages, welche die alte Geschichte zwischen einzelnen Epochen einzuschieben gezwungen ist.

Illig nun suchte die Geschichte ab und wurde fündig: In der europäischen Geschichte gilt das Frühmittelalter tatsächlich als eine sehr dunkle und mangelhaft belegte Epoche, also müßten dort die überzähligen Jahrhunderte eingeschoben sein. Im Laufe der Überlegungen formte Illig daraus eine konkrete These: Die europäische Chronologie und Geschichte zwischen 600 und 900, kulturgeschichtlich also die Merowinger- und Karolingerzeit, seien inexistent und zu streichen. Und in diesem erfundenen Zeitraum müsse auch die große Lichtgestalt, der Überkaiser Karl der Grosse, aus dem Geschichtsbuch gestrichen werden.

Illig veröffentlichte seine neue These in zwei Büchern seines hauseigenen Mantis Verlages (Hat Karl der Grosse je gelebt? Karl der Fiktive), doch ein lautes Echo blieb vorerst aus. Dies änderte sich erst 1996 als der Econ-Verlag das Manuskript übernahm und unter dem Titel Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte neu herausgab. Das Werk erzielte bis heute allein in seiner Hardcover-Ausgabe eine Auflage von etwa 20'000 Exemplaren - sehr viel für ein historisches Buch. Der Verlag ließ darauf eine Taschenbuchausgabe folgen und gestattete dem Autor, ebenfalls in Form eines Taschenbuches, ein Fortsetzungswerk unter dem Titel Wer hat an der Uhr gedreht? (1999) zu veröffentlichen.

Ebenso wichtig wie die verkaufte Auflage war, daß sich nun eine öffentliche Diskussion um Illigs Karls-These entwickelte: Die etablierte Geschichtswissenschaft konnte das Buch nicht mehr länger ignorieren und sah sich gezwungen - wenn auch häufig zähneknirschend und mit verhaltener oder offener Häme - Stellung zu nehmen. Für Illig gibt es seither regelmäßige Auftritte in Presse, Rundfunk und Fernsehen – Dinge, die der Autor in den einzelnen Nummern seiner Zeitensprünge vollständig auffährt und jeweils in einem Artikel kommentiert

Illig hat mit seinem Karls-Buch unzweifelhaft publizistischen Erfolg errungen. Aber wie steht es mit seiner These von Karl dem Grossen und der „größten Fälschung der Geschichte" wirklich? Um das Ergebnis vorwegzunehmen, so ist es gerade seine Beschäftigung mit diesen beiden Themen, die heute zu einer Ablehnung Illigs führen.

Die Probleme der älteren Geschichte

Die ältere Geschichte ist ein heikles Feld. Der Schreiber möchte das mit dem Vergleich ausdrücken, daß es leichter ist, Atomphysik zu studieren und zu verstehen, als die Probleme der alten Geschichte und der Vorgeschichte zu erkennen.

Allgemein muß man wissen, daß es fast unmöglich ist, vor einer gewissen Zeit hinter uns klare Aussagen zu machen. Es gibt unüberwindliche Probleme mit der Verläßlichkeit der Quellen, der Plausibilität der Inhalte und vor allem den Zeitstellungen. Wie soll man ein geschichtliches Ereignis in einer fernen Zeit verifizieren, wenn alles fragwürdig ist: Quellen, Traditionswege, Chronologie. Gab es überhaupt ein klassisches Altertum, oder ist das nur die Erfindung von Schöngeistern des 18. und Professoren des 19. Jahrhunderts?

Ist zum Beispiel Alexander der Grosse nicht ebenso eine Legendengestalt wie Julius Caesar oder Otto der Grosse – oder eben Karl der Grosse? - Sind die Epocheneinteilungen wie Altertum und Mittelalter überhaupt gerechtfertigt oder Fiktionen der neueren Geschichtsschreibung?

Je mehr man sich mit unabhängigem Geist und kritischem Verstand in die Überlieferung der alten Zeiten vertieft, desto mehr kommen Zweifel an der älteren Geschichte. Vor der „Neuzeit" gab es nur Märchen, Sagen und Legenden, und die wahre Geschichte beginnt nur zögerlich.

Illigs These über Karl den Grossen als untauglicher Versuch der Geschichtskorrektur

Das bestehende Gerüst der Ereignisgeschichte, Epocheneinteilungen und die dazugehörige, teilweise überpräzise Chronologie sind heute unmöglich geworden und müssen hinterfragt werden. Eine riesige Forschungsaufgabe wartet, und jeder Beitrag zu einer Neubetrachtung ist willkommen.

Illigs These von Karl dem Grossen als Geschichtserfindung und den angeblichen drei überzähligen Jahrhunderten aber ist ein untauglicher Ansatz zur Geschichtskorrektur. Grundsätzlich beläßt Illig das ganze Altertum und das ganze Mittelalter so wie es in den Geschichtsbüchern steht, mit allen Inhalten und Zeitstellungen. Die ganze Geschichte sei also in Ordnung, ausgenommen drei Jahrhunderte im Frühmittelalter. Nach der konventionellen Geschichtswissenschaft muß man an volle zweitausend Jahre christliche Zeitrechnung mit allen Ereignissen und Datierungen glauben, nach Illig an tausendsiebenhundert Jahre. Die angebliche Merowinger- und Karolingerzeit mit Kaiser Karl dem Grossen gehörten in das Reich der Fabel, aber vor 600 und nach 900 nach Christus seien alle Epochen, Herrscher und Ereignisse wirklich.

Wer nur etwas überlegt, erkennt sofort die Absurdität dieses Denkansatzes: Man kann nicht willkürlich eine einzige Ära mit ihren Zeitstellungen und Inhalten für gefälscht hinstellen. Entweder ist die ganze alte Geschichte erfunden oder nichts.

In den Anfängen hätte man Illig mit seiner These noch eine gewisse Berechtigung zugestehen können: Wenn das Problem der fingierten älteren Geschichte so vielfältig ist, dann war es tatsächlich klug, sich am Anfang beispielhaft auf eine Epoche und einen Herrscher zu konzentrieren: Ihr Herren Professoren, Mediävisten, Diplomatiker. Paläographen, Kunsthistoriker, Philologen; nehmt einmal Stellung zu der desolaten Quellenlage der Merowinger- und Karolingerzeit; überlegt euch, von wie wenigen der angeblich fünfhundert (!) karolingischen Großbauten noch sichere Reste nachweisbar sind; geht mal die Artefakte jener Epochen durch und prüft, welche davon tatsächlich jenen Zeiten zugeschrieben werden können!

Immer mehr aber wurde der Autor so von seiner These eingenommen, daß er darob jede Selbstkritik verlor und meinte, er und nur er habe die historische Erleuchtung in das Mittelalter gebracht. Spätestens als das Buch bei Econ herauskam, waren Illigs Behauptungen reiner Stumpfsinn geworden. Oder sollte jemand glauben, man könne aus einer grauen Vorzeit vor über tausend Jahren exakt 297 (!) Jahre wegnehmen und eine Sagengestalt wie Julius Caesar belehren, daß das angeblich von ihm geschaffene Sonnenjahr 26 Minuten zu lang gewesen sei?

Illigs These über Karl den Grossen und die christliche Zeitrechnung erweist sich bei einer kritischen Betrachtung als haltlos und sogar absurd.

Weshalb denn die Publizität um Karl den Fiktiven und der noch immer existierende Zeitensprünge-Kreis? - Nun, das Problem der älteren Geschichte und der Zeitstellungen ist - wie schon gesagt - schwierig und wird auch heute erst von wenigen in der ganzen Dimension erkannt. So kam es eben, daß auch eine untaugliche Kritik, wie diejenige von Illig, bei günstigen Winden groß herauskam. Aber publizistischer Erfolg ist keine Gütemarke für wissenschaftlichen Wert; sonst müßte mancher Denkentwurf übernommen werden.

Unsere Auffassungen von der Vorgeschichte sind falsch. Aber die Geschichtskritik muß ohne und gegen Illig vorangetrieben werden.

Illig: Opfer oder Täter?

Ein Vermittler würde hier einwenden, daß jeder mal einen Holzweg beschreitet, daß aber die Kräfte der Besserung in jedem wirken. Aber wer das bei Illig und seinem Kreis annimmt, kennt die Begleitumstände nicht, welche das Unternehmen der Zeitensprünge heute so ärgerlich macht.

Illig weiß im Grunde selber, daß seine Karls-These nicht mehr trägt. Weshalb hält er dennoch unentwegt an seinen Behauptungen fest? Der publizistische Erfolg mag einen Teil erklären, das Fähnlein von ein paar aufrechten, linientreuen Mitstreitern in seinem Kreis einen anderen Teil.

Entscheidend ist jedoch, daß Illig bisher keinen kompetenten Kritiker gefunden hat. Die offiziellen Historiker sind zu einer richtigen Kritik nicht berufen; und der Kreis der „Geschichtsrevisionisten" – wenn man diesen unpassenden Ausdruck einmal brauchen will – ist nach Lage und nach Interessen so disparat, daß sich keine klar definierte Anti-Illig-Front gebildet hat.

Das starrsinnige Festhalten von Illig an seinen Behauptungen über Karl dem Grossen hat sicher auch mit negativen Charakterentwicklungen des Autors zu tun. Dieser Historiker beteuert seiner Umgebung ständig, wie sehr er ungerecht beurteilt, ignoriert und diffamiert werde. Aber betrachtet man die Dinge richtig, so ergibt sich ein anderes Bild. Illig kritisiert viel und er wendet sich gegen jeden Forscher, der unterschiedliche Ansichten über die Geschichte und die Zeitstellungen der letzten zweitausend Jahre vertritt.

Hier muß man aufs Schärfste einschreiten: Es geht nicht an, daß sich Illig ständig als Opfer sieht, den man wissenschaftlich fertig machen wolle. In Tat und Wahrheit ist er nämlich der Täter: Er will alle zwingen, seiner unsinnigen Karls-These zu folgen. Ein unmögliches und letztlich selbstmörderisches Unterfangen, würde man meinen. Aber nichts desto weniger ist es so: Mit fast manischer Konsequenz hat es Illig fertiggebracht, alle Autoren und Mitstreiter, die andere Ansichten vorbrachten, zu vertreiben.

Ein absoluter Skandal war etwa der 1998 erfolgte Ausschluß von Uwe Topper gewesen, der in Zeitensprünge mehrere bedeutsame Beiträge veröffentlicht hatte. In einer vor Ärger strotzenden Abrechnung unter dem Titel Tropfen, Faß und Überlauf (Zeitensprünge 4/98) hat sich Illig in seinem Bulletin von selbst an den Schandpfahl gestellt.

Da muß auch der verhängnisvolle Einfluß von seinem Contributing Editor (offizielle Bezeichnung im Impressum der Zeitensprünge) Gunnar Heinsohn erwähnt werden, ehemals Professor an der einschlägig bekannten Universität Bremen und Leiter eines ominösen Instituts für Xenophobie- und Genozidforschung. - Heinsohn steht heute hinter der online-Publikation malagabay wordpress. Darin werkelt der Ex-Professor an ausgedehnten Zeitkürzungen "im 1. Jahrtausend nach Christus".

Weil Illig keine Kritik an seiner These und seiner Politik zuläßt, hat er sich in eine ausweglose Lage manövriert. Aus anfänglich neuem Denken ist nur noch Dogmatismus und Orthodoxie übriggeblieben. Der Illig-Kreis ist längst in die Sektiererei abgeglitten. Eine Durchsicht der Zeitensprünge der letzten 15 Jahre bestätigt dies. Die Zeitschrift, die sich im Untertitel immer noch interdisziplinäres Bulletin nennt, ist sehr langweilig geworden. Von einer offenen Auseinandersetzung mit geschichtlichen Themen und Thesen ist keine Spur mehr zu finden. Das Forum dient nur noch dazu, Illigs Karlistik und seine Selbstdarstellung aufzunehmen. Jedesmal also erfährt man von „Aktualitäten der Phantomzeitdebatte"; was im Klartext heißt, daß irgendein Kritiker an Illigs Karls-These unrecht, er aber Recht habe. - Dann vernimmt man etwa so sensationelle Erkenntnisse wie die, daß es keine Münzen von Karl dem Grossen gäbe, daß in Niederbayern und in Thüringen dreihundert Jahre Frühmittelalter, und in Palästina Schichten zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert nach Christus fehlten. In einem Beitrag steht sogar allen Ernstes, daß in Java (!) dreihundert Jahre Geschichte nicht belegt sind. – Ausführlich wird in einem Heft auch über ostafrikanische Buntbarschen-Populationen gesprochen – wobei nicht klar ist, was denn solche exotischen Fische und Weltgegenden mit europäischer Geschichte zu tun haben, außer daß sie natürlich Karl den Grossen nicht stören.

Es ist im Grunde betrüblich, daß man sich heute vehement gegen einen Mann wenden muß, der am Anfang in einem gewissen Sinne eine führende Kraft der Geschichts- und Chronologierevision war. Aber Illig hat das so gewollt. Die anderen stellen nur fest und reagieren entsprechend.

Illig kann sich nur halten, indem er sich zusehends abschottet. Das zeigt auch folgender Umstand: Die Zeitensprünge veranstalten jedes Jahr eine Tagung. Aber seit 1999 wird dazu nicht mehr im Heft selbst, sondern von dem Duo Illig-Heinsohn persönlich eingeladen. Der Zweck der neuen Maßnahme ist offenkundig: Man will damit mißliebige und in Ungnade gefallene Leute aus dem Kreis aussperren. Was für ein Armutszeugnis für einen Mann und eine Gruppe, die meint, den historischen Stein des Weisen gefunden zu haben!

Illig, seine Thesen und sein Zeitensprünge-Kreis sind unbedingt abzulehnen.

Doch sogar Illigs langjähriger Partner Heinsohn ist heute nicht mehr auf der orthodoxen Linie. Er möchte eine eigene Chronologie erstellen, ohne damit zu überzeugen.

Die drei Hefte der Zeitensprünge  die gegenwärtig noch erscheinen, werden unterdessen zum grossen Teil vom Herausgeber geschrieben: Viele seiner Mitstreiter sind gestorben, neue kommen kaum mehr nach.

Die neuesten Hefte der Zeitensprünge (2017) sind nur mehr halb so umfangreich wie vorher. Doch Illig ist uneinsichtig wie eh und je: Weiter werden Kalenderfragen, Schalttage und Schaltjahre behandelt. Und weiter wird von 297 fehlenden Jahren im "Frühmittelalter" gefaselt.

Doch kann Illig offenbar wieder einen publizistischen Erfolg verbuchen: Sein Buch Wer hat an der Uhr gedreht? ist auf Italienisch erschienen.- Was will der Mann in Italien? Vielleicht erklärt er nun den Italienern, daß man von Gregor dem Grossen direkt zu Otto dem Grossen springen soll.

Illig und seine Zeitensprünge sind zu einer historischen Groteske geworden.