Das Buch ist inakzeptabel!


Ulrich Thomas Franz

Pan-Europa

oder

Der endgültige Untergang des "Römischen Reiches"

525 Seiten, illustriert. ISBN: 3-8334-6392-9

Norderstedt 2006


Eine andere, sehr ausführliche Besprechung des Buches hat Andreas Volkart geliefert:

http://www.virenthematik.ch/HP-Projekt-C14-Altersbestimmung/Theorie-Kalenderreform-4-10-06/Buchbesprechung-Paneuropa.htm#Buchbesprechung



Ein neuer Autor in der geschichtskritischen Szene

Ulrich Franz ist ein jüngerer Akademiker der sozialwissenschaftlichen Richtung und lebt in Heidelberg. Er hat ein ausgeprägtes Interesse an der Nationalökonomie, der Vorgeschichte und lernte die Geschichts- und Chronologiekritik kennen. Darüber hat er Ende 2006 ein umfangreiches Werk von über 500 illustrierten Seiten veröffentlicht. - Den Rezensenten (Pfister) hat Franz kurz vor der Drucklegung des Buches angesprochen und ihn um einige Grafiken gebeten. Letztere sind auf den Seiten 55 und 56 zu finden.

Das Werk Pan-Europa von Ulrich Franz ist wichtig und gewichtig. Aber gleich bei der ersten Durchsicht fallen ernsthafte Mängel in Aufmachung und Inhalt auf. Diese stören derart, daß man schon bald nicht mehr weiß, ob man das Buch mehrheitlich positiv oder negativ beurteilen soll.

Ein Buch auf Nachfrage mit großen Mängeln

Zuerst: Pan-Europa ist als Buch auf Nachfrage (Book on Demand) herausgekommen. Das neue Druck- und Verlagsprinzip hat viele Vorzüge für einen Autor. Aber es verleitet auch zu einer selbstherrlichen Editionsweise: Der Schriftsteller kann über Inhalt, Aufmachung und Gestaltung frei entscheiden, ohne einen Verleger oder Lektor fragen zu müssen.

Das Buch von Ulrich Franz zeigt die negativen Seiten dieser neuen Verlagsform: Es gibt Mängel in den Aufmachung und im Inhalt, die man leicht hätte vermeiden können. Aber offenbar hat der Autor sein Manuskript keiner Person gezeigt.

Die schrankenlose editorische Verwirklichung ist in der vorliegenden Veröffentlichung überdeutlich sichtbar.

Es sollen nur die wichtigsten Mängel erwähnt werden:

1) Der Titel Pan-Europa ist dem Inhalt absolut unangemessen und führt den Interessierten auf eine falsche Fährte: Der Autor ist ein Anhänger der Paneuropa-Idee des Grafen Coudenhove-Kalergi (1894 - 1972).

Der zweite und der dritte Titel auf dem Cover enthüllen erst die Thematik des Buches:

Der endgültige Untergang des "Römischen Reiches". Abschied von einer großen Selbsttäuschung.

Mit dem falschen Titel führt der Autor schon viele potentielle Leser in die Irre.

2) Der Textblock sollte für eine bessere Lesbarkeit auf allen Seiten etwa 1 cm mehr Rand haben. - Der Mangel ist eklatant. Jeder Begutachter des Manuskripts hätte das wohl moniert.

3) Die Bebilderung des Werkes ist chaotisch. Farb- und Schwarzweißbilder und -Grafiken wechseln sich in wirrer Anordnung ab. Und die Bildseiten sind nicht klar von Textseiten unterschieden. Es kommt vor, daß Textzeilen in Bildseiten hineinfließen. – Jeder Layouter hätte darauf hinweisen können.

4) Die Anordnung der Anmerkungen ist gespalten, damit unlogisch. Es gibt solche am Ende eines Satzes, aber auch am Fuße der Seite. – Verwirrung, statt System!

5) Die Thematik ist in dem Werk nicht klar erkenntlich. Es gibt viele Abschweifungen, Polemik und unangebrachte Einzelthemen. – Darauf wird bald eingegangen. – Eine sinnlose Systematik sorgt nicht für mehr Klarheit. Ein Beispiel: 9.7.3; Kognitive Implikationen zur Theorie der Eigentumsgesellschaft (S. 353).

6) Die Gewichtung der Themen in dem Werk von Ulrich Franz ist uneinheitlich. Die Geodäsie scheint das Lieblingsthema des Autors zu sein. Fast ein Drittel des Umfangs (!) ist den sicher interessanten Fragen der alten Landvermessung, den Figuren in der Landschaft und in den Stadtgrundrissen, den astronomischen Orientierungslinien in Europa und ähnlichen Themenkreisen gewidmet. – Aber was haben diese Dinge mit dem „Römisches Reich“ zu tun?

7) Themenfremde Kapitel, Einschübe und Themen durchziehen das Buch und werden vom Leser als absolut inakzeptabel empfunden.

Besonders ärgerlich ist die Einfügung der Problematik von Zins und Zinseszins in dem Buch. Ulrich sieht im Zins ein Element, das mit Sicherheit jede Gesellschaft zerstört. – Der Rezensent pflichtet dieser Erkenntnis bei und zollt Anerkennung der Freigeldlehre von Silvio Gesell. – Aber in ein Werk über den historischen Mythos eines Römischen Reiches gehört dieses Thema einfach nicht hinein.

Die aktualistischen Einschübe über die Zerstörung von Wirtschaft und Gesellschaft durch den Zins und Zinseszins folgen übrigens abrupt nach einer dreiseitigen Wiedergabe von Fomenko-Grafiken (S. 456)!

Auch die Einfügung aktueller Themen in den Kontext ist unannehmbar. Was soll zum Beispiel das Kapitel über den heutigen Kunst- und Antiquitätenmarkt (S. 279) nach einer Betrachtung über die Römermünzen?

Polemische Tiraden nehmen häufig den Umfang von Kapiteln an und zerreißen den logischen Kontext. Beispielsweise gibt es eine – an und für sich berechtigte – Abschweifung über den anmaßenden Mediävisten Michael Borgolte (S. 180 f.). – Und ganze zehn (!) Seiten Platz bekommt eine Polemik gegen Margret Chatwin mit ihrer Liste über wirkliche oder vermeintliche Antisemiten (S. 322 ff.).

Hier wie überall: Man versteht den Zorn des Autors gegen falsch argumentierende Leute. – Aber ist es berechtigt, darob die Thematik zu vergessen?

Die themenfremden Bestandteile (wirtschaftswissenschaftliche Theorien, Kritik am Zins und Zinseszins, Kritik des Kunstmarktes, polemische Tiraden) trugen dazu bei, den Umfang des Buches von Ulrich Franz unverhältnismäßig aufzublähen.

Hätte der Autor seine Vorliebe für die alte Geodäsie etwas zurechtgestutzt, so wäre das Werk nur halb so umfangreich ausgefallen.

Die Mängel des Buches sind so groß, daß Pan-Europa nur mit einzelnen Themen und Beiträgen etwas zur Geschichts- und Chronologiekritik beiträgt.

Einzelne thematische Perlen des Buches

Wie gesagt widmet Franz der alten Geodäsie und Landvermessung, den Portolankarten, Geo- und Urbanoglyphen zuviel Platz. – Aber man liest diesen Überblick mit den vielen Beispielen natürlich gerne, um so mehr als dieser Teil reich illustriert ist.

Das Problem Pompeji wird erörtert: Pompejis Untergang - ein Glücksfall für die Archäologie? (212 ff.) Dabei hält der Autor fest, daß diese Stadt in der Neuzeit bestanden hat und christianisiert und latinisiert war.

Der Limes in Süddeutschland wird wie schon bei August Cohausen um 1900 als keltisch-römische Zollgrenze charakterisiert, die mehrmals ausgebaut und verändert wurde. - Dabei weist der Verfasser auf die interessante Tatsache hin, daß sich fast alle süddeutschen Viereckschanzen innerhalb dieser befestigten Grenze befinden,

Die Trajanssäule in Rom mit ihren Reliefbändern visualisiert die fiktive Antike - mit der materiellen Kultur des Mittelalters (237). Die Darstellungen etwa einer Pontonbrücke über die Donau erforderte nach dem Autor eine fortgeschrittene Sägetechnik, die vor der Renaissance undenkbar war. - Und die fehlenden Steigbügel der römischen Reiter sind als bewußte Auslassung anzusehen. Tatsächlich wären Reitereinheiten ohne solche Steighilfen nicht einsatzfähig gewesen. - Die Kavallerie kann deshalb auch erst in der frühen Neuzeit entstanden sein.

Die Polychromie der antiken Plastiken und Architekturwerke wird vom Verfasser ausgiebig erörtert. Auch die Widmungsschriften für die Artefakte wurden nach ihm nicht hineingemeißelt, sondern aufgemalt. Die massenhaft gefundenen Inschriften stellen somit eine spätere Stufe dar, sie stammen aus der Zeit der Grossen Aktion der Geschichtserfindung.

Den römischen Inschriften ist ein Kapitel gewidmet, das mit Epitaphe überschrieben ist (S. 190 ff.). Die Meinung des Autors scheint zu sein, daß die meisten derartigen Zeugnisse von den Humanisten angefertigt wurden.

Spolien stellen ein sehr interessantes architektonisches Spezialthema dar. Bruchstücke aus früheren Bauwerken, die für spätere Bauten genutzt wurden, scheinen handfeste chronologische Abfolgen darzustellen. Franz widmet der Sache aber nur eine Seite. Nach ihm sind antike Spolien in mittelalterlichen Kirchen unmöglich, sind „reine Phantasie" (S. 200). - Dieses Urteil ist teils richtig, aber doch sehr apodiktisch. - Das Spolien-Thema läßt sich so kurz nicht abhandeln.

"Römische" Münzen gelten als unwiderlegbarer Beweis für die Existenz einer Römerzeit und vor allem für die Authentizität der - zeitlich weit überdehnten - Kaiserzeit. – Aber das große Interesse an solchen Münzen zeigten erst die Humanisten. Und diese gaben sich sehr bedeckt über Ihre Fundorte und Fundumstände. – Auch das Thema Münzen wird von Franz viel zu kurz behandelt (S. 277 ff.).

Zur Geschichte des Buchdrucks haben sich bisher erst neuere russische Forscher geäußert. Die Meinung ist, daß eine solche Technik Zeit brauchte, um ihre Vollendung zu erreichen. – Franz behandelt das Thema unter dem Stichwort Inkunabeln. Allerdings sind seine Ausführungen darüber unklar (S. 268 f.).

Auch über Hannibals Elefanten findet sich eine Abhandlung von einer Seite (S. 271 f.). Nach Franz stellt ein solches Tier, das „1551“ im Südtiroler Ort Brixen als Geschenk des portugiesischen Königs an den Erzherzog Maximilian von Österreich angekommen sein soll, die Inspirationsquelle für die Elefantengeschichte um Hannibal dar.

Auch dieses Thema ist mehr als unvollständig dargestellt: Tatsächlich kommen Elefanten in der ganzen erfundenen Geschichte vor: von Pyrrhus von Epirus über Hannibal, Alexander den Grossen, Julius Caesar, Karl den Grossen, Friedrich II. von Hohenstaufen bis zu der erwähnten österreichischen Geschichte.

Die Katastrophentheorien für die Vorgeschichte – Polverschiebungen, Eiszeiten, Meteoriteneinschläge – werden von Franz auf zehn Seiten behandelt (S. 302 ff.). – Das nächste Kapitel ist jedoch bereits der „paneuropäischen Ökonomie“ und dem Freigeld-Theoretiker Silvio Gesell (mit Porträt auf S. 313) gewidmet.

Nochmals muß darauf hingewiesen werden, daß man die interessanten Themen mühsam aus dem Sammelsurium der Kapitel und Darlegungen herausklauben muß. – Und die Schlußfolgerungen zu diesen thematischen Perlen sind häufig unklar.

Das Buch von U. Franz erinnert in seiner mißratenen Konzeption an eine andere Unternehmung:

2002 veröffentlichte Gernot L. Geise (Herausgeber von Efodon Synesis) in überarbeiteter letzter Auflage sein Buch Die Irrealität des Römischen Reiches. Wer waren die Römer wirklich?  (Hohenpeißenberg).

 Auch dort stellt man die gleiche Inkohärenz fest: Geise analysiert in der ersten Hälfte das Problem der sogenannten alten Römer und ihrer Zeugnisse. Aber im zweiten Teil kann es sich der Autor nicht verklemmen, themenfremde Dinge wie das keltische Nachrichtensystem und die Keltenschanzen zu behandeln.

P.S.:

Wenn man immer noch an den Autor und sein Werk glaubt, dann muß man auf Seite 440 lesen. Dort sagt U. Franz allen Ernstes:

Weiterhin möchte ich ausdrücklich feststellen, daß ich keinerlei Aussagen über das reale Alter der islamischen und der jüdischen Weltreligion gemacht habe. Außerdem habe ich auch keine Aussage über die zeitliche Priorität irgendeiner Weltreligion gemacht. Bei jeder gegenteiligen Behauptung sehe ich mich leider dazu gezwungen, dagegen juristisch vorzugehen.

Was heißt das konkret: Der Autor hat Schiß, daß vielleicht bald ein Islamist oder ein jüdischer Fanatiker bei ihm auftaucht und ihm die Gurgel durchschneidet!

Rückgrat und Zivilcourage besitzt dieser Autor wirklich nicht!

Pan-Europa kann man getrost wegschmeißen!