Das Schloß Vufflens
bei Morges VD
und seine Minarette

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Das Bauwerk ist ein früher Zeuge
für den Einfluß der islamischen Architektur
in Europa

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Vufflens-le-Château

Ansicht von Süden

aus: François Forel-Baenziger:
Le château de Vufflens; Lausanne 1996; p. 188

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      Vufflens und seine Minarette

Vufflens-le-Château, westlich von Lausanne und oberhalb von Morges am Genfersee, gehört durch die Geschlossenheit der Anlage, seiner Größe und dem perfekten Erhaltungszustand zu den bedeutendsten Schlössern der Schweiz. – Aber gleich ist eine Einschränkung zu machen: Der Bau hat Schloßcharakter, war aber nicht als Wehrbau konzipiert. Also gehört Vufflens einer Zeit an, welche das Aussehen einer Burg nachahmten, aber in Wirklichkeit als Wohnbauten gedacht waren (vgl. das Photo).

Die Konstruktionsmerkmale von Vufflens bestätigen dies. Der Bau ist aus Backsteinen errichtet – einem Werkstoff, der im klassischen Burgenbau in der Schweiz undenkbar war. – Der mächtige, viereckige Donjon hat mit dem Dachreiter eine Höhe von 60 Metern – eine für einen Wehrturm undenkbare Höhe. – Der gegen Süden vorgelagerte rechteckige Wohntrakt hat an seinen Ecken vier halbrunde Türme, die Wehrhaftigkeit vortäuschen, aber nur Dekoration darstellen. – Ein Burggraben oder ein bewehrtes Eingangstor fehlen.

Vufflens steht als Backsteinbau nicht alleine. Diese waren zu einer gewissen Zeit in der Westschweiz sehr verbreitet und deutlich von Italien her beeinflußt (Abbildung).

Vufflens ist in der Schweiz wohl eines der ersten und größten Wohnschlösser und muß der Zeit um 1760 zugeordnet werden.

Der erwähnte Berner Burgenmaler Albrecht Kauw hat in einem Aquarell auch Vufflens abgebildet (Abbildung). – Das schöne Bild beweist, daß der Bau damals schon stand und bereits als bedeutendes Bauwerk in der Waadt galt.

Schloß Vufflens (Wiflang)

Aquarell von Albrecht Kauw, ca. "1675" (Ausschnitt)

Das Bild ist real auf die Zeit um 1770 zu datieren.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Historischen Museums Bern

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Vufflens-le-Château im Waadtland entlarvt vielleicht am Deutlichsten die unhaltbaren Zeitstellungen der traditionellen Kunstgeschichte.

Doch wir haben eine ungemein bedeutende bauliche Merkwürdigkeit bei Vufflens vergessen.

Der erwähnte südliche Wohntrakt hat wie gesagt vier halbrunde und oberhalb des Dachkranzes runde schlanke Ecktürme. Dabei ist die Aussichtsplattform jedes Turmes vorkragend, mit einem Kranz von Konsolen und mit einem zurückgesetzten spitzen Helmdach versehen.

Dieser Typus von Turm findet sich nur noch bei einem Turm in Orbe, ebenfalls im Waadtland, und ist auf französische Vorbilder zurückzuführen.

Doch die gelehrigsten Nachahmer solcher sonderbarer Turmformen waren nicht westeuropäische Schloßherren, sondern die Araber, genauer gesagt die Baumeister der islamischen Kultbauten. Bekanntlich gehört zu jeder Moschee ein Minarett, zu bedeutenden derartigen Gebetshäusern sogar deren vier – für jede Ecke eines.

Das westeuropäische Schrifttum ist mit Bemerkungen über die fremde östliche Religion sehr sparsam. – Petrarca und Dante stören sich weniger an der anderen Theologie, sondern an den zugespitzten Türmen, welche die Mohammedaner ihren Gotteshäusern anfügten.

Die runden, schlanken Ecktürme des Wohntraktes von Vufflens zitieren wohl eher die Minarette des jungen Islam als ihre französischen Vorbilder. – In diesem Sinn ist das mächtige Schloß auch ein frühes Zeugnis für die Wahrnehmung einer fremden Kultur und Religion.

Die Baugeschichte zeigt bei richtiger Deutung ihrer Befunde also auch geistige Tendenzen der Erbauer und ihrer Zeit auf.

Ein bedeutendes kunstgeschichtliches Zitat muß ebenfalls noch erwähnt werden. Der bekannte flämische Maler Pieter Breughel („um 1525/30 – 1569") schuf im Rahmen seiner enigmatischen Gemälde auch eine sinnbildliche Darstellung einer Heuernte (vgl. die Abbildung).

Bei dieser Gelegenheit soll festgehalten werden, daß der Name Breughel ein Sinn-Name darstellt: BREUGHEL = PRCL(T) = PARACLETUS, Paraklet.

Pieter Breughel der Ältere: Die Heuernte

New York: Metropolitan Museum

Das Gemälde ist gegenüber der konventionellen Datierung auf die Zeit um 1770 zu setzen.
 Es setzt das fertige Schloß Vufflens (im Hintergrund links) voraus.

Nun wird angenommen, daß hier eine Landschaft am Nordufer des Genfersees abgebildet ist. Genauer gesagt soll die Kirche hinter der bäuerlichen Szene das Gotteshaus von Bussy sein. Und links im Hintergrund erkennt man ein Schloß, das mit seinem großen Donjon eindeutig als Vufflens zu erkennen ist.

Kunst und Architektur weisen also auf eine gleiche Entstehungszeit des Schlosses von Vufflens.