Die Grasburg bei Schwarzenburg
Keine „spätstaufische Reichsburg“,
aber eine bedeutende Burganlage
über der
rechtsufrigen Sense

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Aktueller Einschub:

Die Burgruine Grasburg - seit 1894 im Besitz der Stadt Bern
- wird nun (ab März 2022) für ca. 900'000 Franken saniert.

Auf ein ursprüngliches Sanierungsprojekt
für 2 Mio. Franken wurde verzichtet.

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Gabriel Ludwig Lory (Vater) (1765 – 1840):
Das Sensetal mit der Ruine Grasburg

Aquarell über Bleistift, 26 x 38 cm

Kunstmuseum Bern

Das Aquarell gehört zu den Meisterwerken dieses Berner und Schweizer Kleinmeisters.

Wie die anderen Werke ist dieses Bild nicht datiert.
Es ist in die 1820er Jahre zu setzen.

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Neue Erkenntnisse zur Grasburg

Drohnen-Aufnahmen im Sommer 2019 erlaubten es dem Autor, einige interessante Details der Burgstelle Grasburg zu klären.

Bekanntlich liegt das Objekt auf einem Felsrücken, der im Westen einen markanten Felsvorsprung gegen die Sense-Schlucht bildet.

Nach dem Palas im Westen liegt am äussersten Ende eine komplizierte und eigenartige Felsformation. Zuerst kommt ein aus dem Felsen gehauener rechteckiger Raum. Dahinter liegt ein markanter, innen gerundeter Felskübel (siehe das Bild unten).

Der gerundete Felsen wird als Sod bezeichnet. Das war er sicher nicht: Der rund ausgehöhlte Sandstein ist durch eine grosse Öffnung zugänglich.

Dem Burgenforscher kommt der Vergleich mit dem Felskübel auf dem Tannstygli südlich von Krauchthal. Auch dort ist ein rundlicher Felsen innen ausgehöhlt und hat zwei Öffnungen.

Der "Sod" auf der westlichen Felsnase der Grasburg hatte also eine besondere Bedeutung.

Sieht man sich die ganze westliche Felswand der Grasburg an, so meint man unwillkürlich, dass darin eine Figur angedeutet ist: eine Sphinx oder der Kopf eines Wilden Manns?

Man hat ferner den Eindruck, dass die Felsfigur besonders nach der nur 200 m südlich gelegenen Burg Schönfels ausgerichtet war.

Wir wissen, dass die Alten in die Grundrisse und Formen ihrer Anlagen Figuren eingearbeitet haben. Diese sind manchmal eindeutig. Hier bei der Grasburg scheint eine - vielleicht bewusste - Mehrdeutigkeit vorzuliegen.

Die Analyse der westlichen Felsnase jener Burgruine ist noch nicht abgeschlossen.

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Grasburg: Die hintere Burg vom Sensetal aus

Foto: Internet

Deutlich erkennt man einen Kopf mit Hals und Flügeln. Eine Sphinx?

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Die Felsnase der Grasburg gegen Westen

Foto: Felix Brodmann, 7.2019

Im Vordergrund ist Mauerwerk des Palas zu sehen.

In der MItte oben erkennt man einen aus dem Felsen gehauenen Raum.

Links schliesst sich der "Sod" an, mit einer grossen Öffnung gegen den Betrachter hin.

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Grasburg: Die Felsnase gegen Westen, gegen das Sensetal

Foto: Felix Brodmann, 7.2019

Ein stilisierter Kopf ist in der Felsformation deutlich zu erkennen.

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Grasburg
Ansicht von Süden auf den Bergfried der Vorderburg

Die Bossierung der Blöcke der Außenmauer ist hier deutlich zu erkennen.

Foto: Autor, 21.6.2014

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Grasburg
Die gemauerte Rampe vor der Burg

Foto: Autor, 21.6.2014

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Grasburg
Restauriertes Mauerstück bei der hinteren Burg

Bei der Restauration wurde die Mauer mit einer massiven Abdeckung versehen. Aber die Erosion des darunter befindlichen Gemäuers wird dabei nicht verhindert.

Foto: Autor, 9. 2012

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Grasburg
Restaurierte und (absichtlich) nicht restaurierte Teile
der Südfassade des hinteren Donjons oder Palas

Auch die Aussenfassade des hinteren Donjons oder Palas bestand aus Buckelquadern. Die Buckel sind wegen der Erosion nur mehr teilweise deutlich zu erkennen.

Foto: Autor, 9.2012

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Die Grasburg an der Sense:
Replik auf eine ärgerliche Neubetrachtung

Die folgenden Überlegungen sind eine Antwort und ein Kommentar zu einem zweifelhaften neuen Beitrag zur Baugeschichte der Grasburg bei Schwarzenburg (Gemeinde Wahlern):

Die Grasburg. Eine spätstaufische Reichsburg in der Nordwestschweiz

in: Archäologie Bern. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2011, Bern 2011, S. 171 - 190

Die Kritik-Punkte

Der Beitrag zur Grasburg stammt von einem deutschen Burgenforscher. - Es ist nicht verboten, daß sich Ausländer detailliert mit heimischen Burgen befassen. Aber der isolierte Blick, den jener Deutsche auf die Grasburg wirft, erklärt allein schon die Mängel.

Der Autor kritisiert zuerst, daß sich seit Burri niemand mehr wissenschaftlich mit der Grasburg auseinandergesetzt habe.

Für die Betrachtung jener Burg kommt man nicht am Werk von Friedrich Burri vorbei. Dieser hat zwischen 1906 und 1911 in Form einer zweibändigen Dissertation eine 550 Seiten starke Monographie über die Grasburg verfaßt, als Begleitwerk für die damals erfolgte erste Restauration der Ruine. 1935 hat Burri auf 350 Seiten nochmals seine Forschungen über die Grasburg herausgegeben.

Burri hat übertrieben. Die Grasburg war sein burgenkundliches Lebenswerk. Wie viele Amateure und auch Wissenschafter vergaß Burri ob seiner Lieblingsburg den Zusammenhang. Seine Arbeit ist einfach zuviel des Guten.

Der jetzige 20-seitige Aufsatz über die Grasburg wäre geeigneter, die wesentlichen Dinge, die sich über jene Burgruine sagen lassen, zusammenzufassen.

Wie viele heutigen Arbeiten kommt diese wissenschaftliche Arbeit aber mit einem Schwall von Vorwissen und historischem Peudo-Wissen daher. Die Datierungen zum Beispiel scheinen wichtiger zu sein, als eine korrekte Beschreibung.

Sowohl bei den Steinburgen und erst recht bei den Erdburgen befindet man sich nämlich bereits in der dunklen Vorgeschichte oder im Dämmerlicht am Anfang der Geschichte. - Die Geschichts- und Chronologiekritik weist nach, daß kurz vor der Französischen Revolution die Vergangenheit in eine Geschichtsnacht abtaucht. Mit jedem Jahr, mit jedem Jahrzehnt, mit dem man rückwärts schreitet, werden Aussagen zu Entwicklungen und erst recht zu Datierungen problematischer und schließlich unmöglich.

Der Autor des Artikels über die Grasburg aber ist bis zum Exzeß geschichtsgläubig. Also wurde die Grasburg "in spätstaufischer Zeit" als "Reichsburg" erbaut.

Und die urkundliche Überlieferung ist für jenen Wissenschafter sakrosankt. - Also kann die Burg nicht vor "1223 AD" existiert haben. - Zwingend müsse die Grasburg "um 1240" erbaut worden sein. - Und Funde von Ofenkacheln sind in die Jahrzehnte "vor 1573" anzusetzen - einfach weil angeblich zum letzteren Datum das Schloß verlassen wurde.

Weil nach dem Geschichtsbuch "um 1240" das Phantom-Geschlecht der "Hohenstaufen" im Deutschen Reich regiert hat, soll die Grasburg also eine "staufische Reichsburg" gewesen sein.

Nichts ist schöner, als vorgeschichtliche Bauten mit dem allgemein geglaubten Geschichtsbuch zu verbinden. - Aber dies ist unzulässig, weil die erste Überlieferung, die wir haben, aus dem mittleren 18. Jahrhundert stammt, eine gefälschte Geschichte bietet, die mit falschen, mit rückwärts gerechneten Datierungen verbunden ist.

Daß man die Grasburg in ihren baulichen Formen irgendwo zwischen dem Ende der Romanik und der entwickelten Gotik einordnen kann, ist richtig. Aber wann war die Romanik, wann die Gotik?

Wo liegt die Grasburg?

Auch wenn man nicht in die Einzelheiten des erwähnten Aufsatzes eingeht, fallen einige ärgerliche Fehler auf, die einem Ausländer zu verzeihen wären. - Aber existiert beim Archäologischen Dienst Bern kein Lektorat?

Der Titel sagt, die Grasburg sei eine "spätstaufische" Burg in der Nordwestschweiz.

Als Nordwestschweiz aber bezeichnet man gemeinhin die Region Basel mit dem angrenzenden Jura.

Und in der Zusammenfassung wird die Grasburg als ein Bau im alpinen Raum bezeichnet.

Von der Grasburg südwärts sind es aber immer noch fünfzehn bis zwanzig Kilometer bis zum ersten, nördlichen Alpenkamm. - Das Schwarzenburgerland aber gehört zum oberen Mittelland.

Und am Anfang des Aufsatzes wird die älteste graphische Darstellung der Grasburg abgebildet und Albrecht Kauw zugeschrieben.

Dieses Aquarell findet sich zwar heute in der Sammlung Kauw, kann aber stilistisch nicht von ihm stammen.

Endlich sollte ein Wissenschafter nicht nur das gewählte Objekt betrachten. Auf die Grasburg bezogen heißt das: Man sollte wenigstens summarisch einige Burgen in der näheren Umgebung erwähnen, die sich zum Vergleich anbieten. - Der Autor hat dies unterlassen.

200 Meter südlich der Grasburg, über dem Freiburger Ufer der Sense, liegt die Ruine Schönfels. Von der Steinburg sind fast keine Spuren mehr zu sehen, aber man kann einen imposanten Wehrbau rekonstruieren.

  Und 5,5 km südlich oberhalb der Grasburg, ebenfalls über dem linken, dem Freiburger Ufer der Sense, liegt die Burgstelle Ober Maggenberg. Von der Größe konnte es die Anlage durchaus mit der der besprochenen Ruine aufnehmen.

Auch eine Erwähnung der 4,5 km senseabwärts, im Nordosten der Grasburg gelegenen Ruine Riedburg, im Schwarzwassergraben am Eingang zum Schwarzenburgerland, hätte zu einem besseren Vergleich nicht geschadet.

Ein paar Dinge über die Grasburg

Die Burgruine soll hier nur kurz beschrieben und interpretiert werden.

Es ist dies eine durch einen nördlichen Mauerzug verbundene Doppelburg: Auf der Ostseite die vordere Burg - im neuen Artikel "Kernburg" genannt - mit dem Bergfried und einem Anbau. Getrennt durch eine unbebaute, erhöhte Fläche schließt sich die hintere Burg auf dem gegen Westen gegen die Sense-Schlucht vorspringenden Sporn, die von einem Palas eingenommen wird.

Der Zugang erfolgte von Süden über eine gut erhaltene gemauerte Rampe.

Geschichtlich läßt sich gemäß der Geschichts- und Chronologiekritik Folgendes über die Grasburg skizzieren:

Die Burg scheint in einem Zug aufgebaut worden sein. - Nach der klassischen Burgenzeit - kaum eine Generation - diente die Grasburg kurze Zeit als Landvogteisitz der eben eingerichteten Gemeinen Herrschaft Schwarzenburg zwischen Bern und Freiburg.

Zu große Unterhaltskosten führten dazu, daß für den Landvogt das noch heute erhaltene Wohnschloß im Dorf Schwarzenburg erbaut, die Grasburg also aufgegeben wurde.

Der Vogteisitz in Schwarzenburg hat den Charakter eines spätgotischen Wohnschlosses und kann auf die 1760er Jahre angesetzt werden. Dann also muß die Grasburg zu einer Ruine geworden sein.

Bilder zur Grasburg

(Die Bilder stammen aus der oben erwähnten Publikation von 2011)

Grundriß der Grasburg

Anmerkung: Zwischen vorderer und hinterer Burg hat es eine freie Fläche. Auf dieser wollten und wollen Forscher aus irrigen Annahmen ein Städtchen annehmen. - Der Platz dafür aber ist wohl gar zu klein für eine Siedlung!

Außenansicht der Fassade der hinteren Burg von Osten

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Grasburg
Die vordere Burg mit dem Bergfried von der Innenseite,
von Westen aus gesehen

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Grasburg
Die vordere Burg mit dem Bergfried (rechts).
Foto nach der Restaurierung 1907.

aus: Friedrich Burri: Die einstige Reichsfeste Grasburg.
Geschichte, Rekonstruktion, Einkünfte; Bern 1935, S. 124

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Grasburg
Die Südseite der hinteren Burg, vor der Renovation von 1907

aus: Friedrich Burri, 1935, S. 204

Man erkennt auf dem alten Foto, wie stark diese Fassade bei der Renovation aufgemauert wurde.